Heft 11 / 2017 (November 2017)

Abhandlungen

Prof. Dr. Gerald Mäsch, Dr. Bettina Gausing, Marcel Peters
Deutsche Ltd., PLC und LLP: Gesellschaften mit beschränkter Lebensdauer? – Folgen eines Brexits für pseudo-englische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland 601

I. Einleitung
II. Grundlagen des Internationalen Gesellschaftsrechts
III. Möglicher Ausgang der Austrittsverhandlungen
IV. Behandlung von Ltd./LLP/PLC nach geltendem IPR
1. Verwaltungssitz im Vereinigten Königreich
2. Zukünftige Gründung mit Verwaltungssitz in Deutschland oder zukünftige Verlegung (nur) des Verwaltungssitzes nach Deutschland
3. Bereits in Deutschland ansässige Gesellschaften
a) Vorbehaltlose Anwendung der Sitztheorie: Umqualifizierung in eine Personenhandelsgesellschaft
b) Notwendigkeit einer Ergebniskorrektur
c) Vergleich mit dem Kollisionsrecht bekannten Konstellationen
aa) (Keine) Änderung des Kollisionsrechts selbst
bb) Ähnlichkeit zum „klassischen“ Statutenwechsel
d) Bestandsschutz für pseudo-englische Gesellschaften über den Rechtsgedanken des Art. 7 Abs. 2 EGBGB
e) Ewigkeitsgarantie oder Schonfrist?
V.Folgen für die Löschung von Zweigniederlassungen nach § 395 FamFG
VI. Zusammenfassung

DRichter am Landgericht Uwe Seifert
Die Umgestaltung des Verfahrens nach § 765a ZPO bei missbräuchlich erhobenen Suizideinwand des Schuldners in der Zwangsversteigerung 608

1. Problembeschreibung
2. Die schriftliche Verfahrensdurchführung
3. Die Verfahrensgestaltung mit mündlicher Verhandlung
4. Fazit

Rechtsprechung

Sachen- und Grundbuchrecht
BGB § 894; GBO § 22 Abs. 1; WEG §§ 5, 6 Abs. 1; WGV § 3 Abs. 6 (Änderung des Sondereigentums) OLG München, Beschluss vom 6.6.2017, 34 Wx 440/16

Zwei Wohnungseigentümer können den Gegenstand ihres jeweiligen Sondereigentums durch Übertragung einzelner Räume ihres Sondereigentums ändern, wenn das übertragene Sondereigentum zugleich mit dem Miteigentumsanteil des Erwerbers verbunden wird. Einer gleichzeitigen Verfügung über den Miteigentumsanteil bedarf es hierfür ebenso wenig wie einer Änderung der jeweiligen Miteigentumsanteile und einer Mitwirkung der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer.

BGB § 891; GBO §§ 19, 20, 29, 38; InsO § 32 (Verfügungsbefugnis des Eigentümers) KG, Beschluss vom 30.5.2017, 1 W 39/17

Ist im Grundbuch ein Insolvenzvermerk gelöscht worden, besteht für das Grundbuchamt grundsätzlich kein Anlass, an der Verfügungsbefugnis und der daraus folgenden Bewilligungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers zu zweifeln (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 20. März 2014, 15 W 392/13 – MittBayNot 2015, 165; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 1. März 2016, 20 W 26/16 – MittBayNot 2016, 544).

BGB §§ 714, 727 Abs. 2 Satz 3, § 728 Abs. 2 Sätze 1 und 2, § 730 Abs. 2 Sätze 1 und 2; InsO §§ 35, 80 Abs. 1, § 117 Abs. 1 (Notarvollmacht, Insolvenzeröffnung) OLG München, Beschluss vom 22.5.2017, 34 Wx 87/17

Die vom Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in seiner Funktion als Vertretungsorgan erteilte Notarvollmacht zur Vertretung der Gesellschaft erlischt mit Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen des Gesellschafters.

BGB §§ 873, 925, 885; EGBGB Art. 15 (Vormerkung, fehlende Voreintragung) KG, Beschluss vom 25.4.2017, 1 W 699/16

Sind die Eigentümer in gesetzlicher (Güter-)Gemeinschaft nach polnischem Recht im Grundbuch eingetragen und hat sich der eine Ehegatte im Rahmen der Auseinandersetzung der Gemeinschaft verpflichtet, dem anderen einen hälftigen Miteigentumsanteil zu übertragen, kann dieser Anspruch mangels Identität des Schuldners mit dem eingetragenen Eigentümer erst dann durch Vormerkung gesichert werden, wenn das Eigentum in Bruchteilseigentum überführt worden ist. Hierzu genügt die gegenseitig erklärte Auflassung hälftiger Miteigentumsanteile allein nicht; die Umwandlung des gesamthänderisch gebundenen Eigentums in Bruchteilseigentum muss auch im Grundbuch vollzogen worden sein.

ZPO § 750 Abs. 1, § 867 (Gläubigerbezeichnung im Titel) OLG München, Beschluss vom 3.5.2017, 34 Wx 153/17

Ein Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek ist zurückzuweisen, wenn sich die Namen der übrigen im Vollstreckungstitel nur mit dem Zusatz „Co.“ bezeichneten Gläubiger nicht durch Auslegung des Titels feststellen lassen und eine Einzelgläubigerschaft des einzigen namentlich Genannten nach der Gläubigerbezeichnung im Titel nicht angenommen werden kann.

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
BGB § 1896 Abs. 1a (Ablehnung des vorgeschlagenen Betreuers) BGH, Beschluss vom 21.6.2017, XII ZB 237/17

Verknüpft ein zur freien Willensbildung i. S. d. § 1896 Abs. 1a BGB fähiger Betroffener sein grundsätzliches Einverständnis mit einer Betreuung mit der Bedingung, dass eine Person zum Betreuer bestellt wird, die aus Sicht des Betreuungsgerichts für die Übernahme des Betreueramtes ungeeignet ist, widerspricht die Einrichtung der Betreuung mit einem anderen als dem gewünschten Betreuer dem freien Willen des Betroffenen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 26. April 2017 – XII ZB 100/17 – juris und vom 7. Dezember 2016 – XII ZB 346/16 – FamRZ 2017, 473 [= Rpfleger 2017, 277]).

BGB § 1896 Abs. 3 (Kontrollbetreuung) BGH, Beschluss vom 26.7.2017, XII ZB 143/17

Ist die Vorsorgebevollmächtigte als Erbin mit einem zugunsten des Betroffenen ausgesetzten Vermächtnis belastet, können die daraus entstehenden Interessenkonflikte die Einrichtung einer Kontrollbetreuung rechtfertigen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 – XII ZB 142/14 – FamRZ 2014, 1693 [= Rpfleger 2014, 669]).

BGB § 1897 Abs. 5; FamFG § 274 Abs. 4 Nr. 1; GG Art. 6 Abs. 1 (Betreuerbestellung) BGH, Beschluss vom 31.5.2017, XII ZB 550/16

a) Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG schließt familiäre Bindungen zwischen nahen Verwandten ein und umfasst das Recht naher Verwandter, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Betreuers nach § 1897 Abs. 5 BGB berücksichtigt zu werden (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2014, 1435 und FamRZ 2014, 1841).
b) Das fremdnützig ausgestaltete Betreuungsverfahren kennt kein subjektives Recht auf eine Bestellung als Betreuer. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine Beteiligung am Betreuungsverfahren nach § 1897 Abs. 5 BGB, § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG ist daher ausgeschlossen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 – XII ZB 125/14 – FamRZ 2015, 133 [= Rpfleger 2015, 215]).

VBVG § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (Höhe der Betreuervergütung) BGH, Beschluss vom 31.5.2017, XII ZB 590/16

Der von der BeckAkademie angebotene, auf die Dauer von neun Monaten angelegte Fernkurs „Hochschulzertifikatskurs Rechtliche Betreuung“ mit einem Arbeitspensum („workload“) von 1.080 Stunden (36ECTS-Punkte) ist nicht mit einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG vergleichbar (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 12. April 2017 – XII ZB 86/16 – juris [= Rpfleger 2017, 450]).

BGB § 1908i Abs. 1, § 1836c Nr. 1 (Wiedereinziehung gezahlter Betreuervergütung) LG Mainz, Beschluss vom 13.6.2017, 8 T 92/17

1. Ist der Betreute in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, so hat er sich neben seinem Einkommen ersparte Aufwendungen für Lebenshaltung und Unterbringung anrechnen zu lassen. Die Höhe der ersparten Aufwendungen berechnen sich gem. § 50 Abs. 2 und § 138 Abs. 2 StVollzG nach der entsprechenden Richtlinie des Justizministeriums (derzeit für Unterkunft und Verpflegung 425,55 e).
2. Übersteigt dieser Betrag zusammen mit dem sonstigen Einkommen den Freibetrag von nach § 1836c BGB (derzeit 818,– e), so sind in Höhe des überschießenden betrages monatliche Ratenzahlungen auf einen Rückforderungsanspruch der Staatskasse zu entrichten, sofern die Ratenzahlung nicht unzumutbar ist. Handelt es sich bei dem sonstigen Einkommen des Betreuten um Arbeitseinkommen, können Beträge für Arbeitsanreiz und notwendige Arbeitsmittel abgezogen werden.

Erb- und Nachlassrecht
NEhelG Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 i. d. F. vom 19.08.1969; ZwErbGleichG Art. 1 Nr. 2, Art. 5 Satz 2 (Erbrecht nichtehelicher Kinder) BGH, Beschluss vom 12.7.2017, IV ZB 6/15

Zum Erbrecht vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder, hier: teleologische Erweiterung von Art. 5 Satz 2 des Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes (ZwErbGleichG).

BGB § 1981 Abs. 1, § 1975; FamFG § 48 Abs. 1 Satz 2 (Aufhebung der Nachlassverwaltung) BGH, Beschluss vom 5.7.2017, IV ZB 6/17

Eine Aufhebung der Nachlassverwaltung im Falle der Zweckerreichung durch Befriedigung der Nachlassgläubiger kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn ein am ursprünglichen Ausgangsverfahren materiell Beteiligter einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
BGB §§ 1416, 1417, 1418; HGB § 162 (Eheliche Gütergemeinschaft, Kommanditist) OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.5.2017, 12 W 643/17

1. Eine eheliche Gütergemeinschaft kann nicht Kommanditistin sein. Ein Kommanditanteil kann nicht im Gesamtgut von Ehegatten gehalten werden.
2. Erwirbt ein in Gütergemeinschaft lebender Ehegatte einen Kommanditanteil, fällt dieser ohne weiteres in das Sondergut (§ 1417 BGB) dieses Ehegatten. Eine Vorbehaltsgutsvereinbarung (§ 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ist nicht erforderlich.

BGB §§ 32, 36, 58 Nr. 4 (Bekanntmachung der Einladung) OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.3.2017, 8 W 103/16

1. Wenn die Satzung eines Vereins für die ordentliche Mitgliederversammlung eine Einladung über ein – konkret bezeichnetes – Presseorgan vorsieht, gilt dies auch für eine außerordentliche Mitgliederversammlung, soweit für eine solche in der Satzung keine anderweitige Regelung getroffen ist.
2. Auch für eine außerordentliche Mitgliederversammlung ist die Einladung über ein konkret bezeichnetes Presseorgan grundsätzlich ausreichend.

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
ZPO § 766 Abs. 1, § 767 Abs. 1 (Vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung) BGH, Beschluss vom 18.5.2017, VII ZB 38/16

Der Schuldner kann die Aufhebung einer Pfändung nicht im Wege der Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) unter Berufung auf eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung, mit der die Vollstreckung in den gepfändeten Gegenstand ausgeschlossen wird, erreichen. Insoweit stellt die Vollstreckungsabwehrklage entsprechend § 767 Abs. 1 ZPO einen geeigneten Rechtsbehelf dar.

ZPO §§ 764, 828, 775 Nr. 3, § 776 Satz 1; AVAG § 20 (Einstellung und Aufhebung der Zwangsvollstreckung) BGH, Beschluss vom 31.5.2017, VII ZB 2/17

Jedenfalls soweit ein zulässiges Rechtsbeschwerdeverfahren wegen einer Forderungspfändung beim Bundesgerichtshof anhängig ist, ist dieser kraft Devolutiveffekts zuständiges Vollstreckungsorgan im Sinne der §§ 764, 828 ZPO. Er kann daher die Zwangsvollstreckung einstellen und Pfändungsbeschlüsse aufheben.

ZPO § 755 (Aufenthaltsermittlung des Schuldners) BGH, Beschluss vom 21.6.2017, VII ZB 5/14

Voraussetzung für die Aufenthaltsermittlung des Schuldners nach § 755 ZPO ist ein zugrundeliegender Vollstreckungsauftrag, der den Anforderungen des § 802a Abs. 2 ZPO genügen muss. Isolierte Aufenthaltsermittlungsaufträge sind unzulässig (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 14. August 2014 – VII ZB 4/14).

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
BGB § 95 Abs. 1 Satz 2; ZVG §§ 55, 20 ff. (Windkraftanlage, Scheinbestandteil) BGH, Urteil vom 7.4.2017, V ZR 52/16

Eine Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck i. S. d. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Sache für ihre gesamte (wirtschaftliche) Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll.

ZPO § 765a; ZVG § 30a (Suizidgefahr des Schuldners) LG Mühlhausen, Beschluss vom 31.7.2017, 1 T 42/16

1. Ein Antrag nach § 765a ZPO ist auch im Fall der Versäumung einer Frist nach § 30b Abs. 1 ZVG nicht ausgeschlossen, insbesondere wenn Umstände, die eine mit den guten Sitten nicht vereinbare Härte darstellen sollen, erst nachträglich eingetreten sind.
2. Erhebliche gesundheitliche Risiken sind im Rahmen der erforderlichen Abwägung in einem ersten Schritt regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten aufzuklären. Ist ein solches Risiko zu bejahen, ist in einem zweiten Schritt mit Blick auf die Art und Weise der Vollstreckung zu prüfen, wie seitens des Vollstreckungsgerichts einem solchen Risiko wirksam begegnet werden kann. In einem dritten Schritt ist aufzuklären, wie seitens des Schuldners selbst solche Risiken zu verringern sind.
3. Die erforderliche Abwägung hat alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und beschränkt sich nicht nur auf die gesundheitlichen Belange des Schuldners.

Insolvenzrecht
InsO §§ 9, 34 Abs. 1; InsNetV § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (Internetveröffentlichung) BGH, Beschluss vom 6.7.2017, IX ZB 73/16

Der Ausdruck eines Sendeberichts für die Internetveröffentlichung begründet keinen Anscheinsbeweis für die tatsächlich erfolgte öffentliche Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Internet.

InsO § 78 Abs. 1 (Aufhebung eines Gläubigerbeschlusses) BGH, Beschluss vom 22.6.2017, IX ZB 82/16

a) Der Schuldner in der Eigenverwaltung ist nicht befugt, einen Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung zu stellen.
b) Das Insolvenzgericht darf nur dann auf Antrag den Beschluss der Gläubigerversammlung, den Betrieb des Schuldners einzustellen, aufheben, wenn eine ordnungsgemäße Fortführungsplanung eindeutig bessere Quotenaussichten durch die Betriebsfortführung ergibt.

InsO § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 251 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 (Insolvenzplan, Minderheitenschutz) BGH, Beschluss vom 20.7.2017, IX ZB 13/16

1. Das Insolvenzgericht kann einen vom Schuldner vorgelegten Insolvenzplan im Vorprüfungsverfahren zurückweisen, wenn offensichtlich ist, dass ein erfolgreicher Antrag auf Versagung der gerichtlichen Bestätigung zum Schutz von Minderheiten gestellt werden wird.
2. Soll die durch einen Insolvenzplan verursachte Schlechterstellung eines Beteiligten mittels einer Kompensationsregelung ausgeglichen werden, muss die Finanzierung der zum Ausgleich vorgesehenen Mittel gesichert sein und durch diese zusätzlichen Mittel ein vollständiger Ausgleich der Schlechterstellung eindeutig erreicht werden können.

InsO §§ 213, 35; InsVV § 1 Abs. 1 Satz 2; EuInsVO a. F. Art. 4 Abs. 2 lit. b; EGBGB Art. 43 Abs. 1 (Vergütung des Insolvenzverwalters, Insolvenzmasse) BGH, Beschluss vom 20.7.2017, IX ZB 69/16

1. Wird das Insolvenzverfahren mit Zustimmung der Gläubiger eingestellt, kann das mit der Festsetzung der Vergütung befasste Gericht für den Schätzwert der Masse in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO auf der Grundlage einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststellen, ob ein Gegenstand Bestandteil der Masse war.
2. Ein Insolvenzverfahren erfasst auch einen Miteigentumsanteil des Schuldners an einem im Ausland belegenen Grundstück. Ob der Schuldner Miteigentümer ist, richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem sich das Grundstück befindet.

InsO § 287 Abs. 2 Satz 1, § 300 jeweils. a. F.; EGInsO Art. 103a (Erteilung der Restschuldbefreiung) BGH, Beschluss vom 1.6.2017, IX ZB 87/16

a) Die Restschuldbefreiung kann nicht rückwirkend erteilt werden.
b) Die Laufzeit der Abtretungserklärung endet in vor dem 1. Dezember 2001 eröffneten Insolvenzverfahren spätestens zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung.

InsO § 17 Abs. 2 Satz 2, § 133 Abs. 1; ZPO § 806b a. F. (Ratenzahlungsvereinbarung) BGH, Urteil vom 6.7.2017, IX ZR 178/16

Erklärt sich der Schuldner einer geringfügigen Forderung gegenüber dem Gerichtsvollzieher zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung bereit, muss der Gläubiger allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

Kostenrecht
RVG VV 3104 (Terminsgebühr) OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.5.2017, 8 WF 106/17

In zweitinstanzlichen Familienstreitsachen fällt die Terminsgebühr gem. Anm. I Nr. 1 zu RVG VV 3104 auch dann an, wenn durch Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde.

ZPO §§ 91, 172, 195 (Kosten der Auslandszustellung) HansOLG Hamburg, Beschluss vom 24.4.2017, 8 W 14/17

Die Kosten für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung an eine im Ausland ansässige Antragsgegnerin sind nicht erstattungsfähig, wenn die einstweilige Verfügung an den inländischen Prozessbevollmächtigten, der zuvor eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO verweigert hat, durch Gerichtsvollzieher zugestellt werden kann.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum 26.07.2017 – 25.09.2017

BGBl. I
Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (7. BZRGÄndG) vom 18. Juli 2017, BGBl. I 2017 S. 2732
Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017, BGBl. I 2017 S. 2780
Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts 20. Juli 2017, BGBl. I 2017 S. 2787
Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017, BGBl. I 2017 S. 3202
Zweites Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts vom 27. August 2017, BGBl. I 2017 S. 3295

BGBl. II
Bekanntmachung zum Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 26. Juni 2017 , BGBl. II 2017 S. 1164
Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Haager Übereinkommens über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 22. August 2017 , BGBl. II 2017 S. 1247

Länderreport
Baden-Württemberg
Verordnung des Justizministeriums zur Aufhebung von Richtervorbehalten und Übertragung richterlicher Aufgaben auf den Rechtspfleger vom 7. Juli 2017, GVBl. 2017 S. 468
Hessen
Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den Laufbahnzweig des Rechtspflegerdienstes im gehobenen Justizdienst (APORpflD) vom 27. Juni 2017, JMBl. 2017 S. 488

Schrifttumshinweise

Sachen- und Grundbuchrecht

Becker, Die „Flucht in die Zwischenverfügung“, ZNotP 2017, 174
Böttcher, Prüfung der Geschäftsfähigkeit durch das Grundbuchamt, RpflStud. 2017, 172
Böttcher, Die Entwicklung des Grundbuch- und Grundstücksrecht bis Juni 2017 NJW 2017, 2726
Jurksch, Die Löschung von Rückauflassungs-Vormerkungen Novation und Extension, Kongruenz und Konfusion, ZfIR 2017, 569
Kysel/Röder, Ausländische Insolvenz und deutsches Grundbuch, ZIP 2017, 1650
Regenfus, Servitus in faciendo consistere nequit. Möglichkeiten der Verdinglichung von Handlungspflichten durch Dienstbarkeiten, (Teil 2), ZNotP 2017, 169
Wilsch, Grundbesitzverwertung aus grundbuchamtlicher Sicht, RpflStud. 2017, 158

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Benner/Wiener, Neue Regelungen für den Rückgriff nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, JAmt 2017, 334
Bienwald, Zur Beratung der Betreuerinnen und Betreuer durch das Betreuungsgericht, RpflStud. 2017, 150
Burschel, Die Entwicklung des Familienrechts 2015 / 2016, (2), NJ 2017, 273
Coester-Waltjen, Kinderehen Neue Sonderanknüpfungen im EGBGB, IPrax 2017, 429
Deinert/Lütgens, Die Stellung von Betreuern und (Vorsorge-)Bevollmächtigten gegenüber Behörden, BtPrax 2017, 135
Dodegge, Die Entwicklung des Betreuungsrechts bis Juli 2017, NJW 2017, 2655
Döll/Wanitzek, Rechtsprechungsübersicht zum Recht der elterlichen Sorge und des Umgangs, FamRZ 2017, 1195
Götz, Fortschritt im Kindesschutz Genehmigungsvorbehalt jetzt auch für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern, FamRZ 2017, 1289
Hoffmann, Das Gesetz zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern, JAmt 2017, 353
Ring/Olsen-Ring, Das Kollisionsrecht nach den Europäischen Güterrechtsverordnungen (Rom IVa- und Rom IVb-VO), NotBZ 2017, 321
Ruby, Die fortgesetzte Gütergemeinschaft bei Tod oder Betreuung des überlebenden Ehegatten, ZEV 2017, 496
Sanders, Vater werden wird nun schwer: Das neue „Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft“, FamRZ 2017, 1189
Viefhues, Unterhaltsrecht: Der Unterhalt des volljährigen Kindes. Teil 2: Verfahrensrechtliche Fragen, ZAP Fach 11 S. 1411

Erb- und Nachlassrecht

Bock, Juristische Implikationen des digitalen Nachlasses, AcP Bd. 217 S. 370
Joachim, Guter Glaube und Rechtsscheinswirkung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, ZEV 2017, 499
Kleffmann, Der Begriff des „gleichzeitigen Versterbens“ im Ehegattentestament. Probleme bei der Anwendung und Auslegungsfragen, FuR 2017,436
Losch, Testierfähigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Krankheitsbildes der Demenz und ihrer postmortalen Begutachtung, ZErb 2017, 188
Müller-Lukoschek, Die Anpassung des deutschen Rechts an die Vorgaben der EU-Erbrechtsverordnung und die Änderung von Vorschriften zum Erbschein, RpflStud. 2017, 145
Raude, Rechtsprobleme des digitalen Nachlasses: Der Anspruch der Erben auf Zugang zum Account des Erblassers in sozialen Netzwerken, ZEV 2017,433
Raude, Verfügungen des befreiten Vorerben über nachlasszugehörigen Grundbesitz, ErbR 2017, 454
Trappe, Erfolgreich anfechten. Oder: „The Art of Storytelling“: Aktuelle Rechtsprechung zur Anfechtung von Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, ErbR 2017,458
de Wolf, Europäische Erbrechtsverordnung bietet nur halbe Lösung für internationale Erbschaften, ZErb 2017, 181

Handels- und Registerrecht

Böhringer, Neue Pflichtangaben für Gesellschafterlisten, BWNotZ 2017, 61
Eickelberg/Böttcher, Neue notarielle Prüfungspflichten im Handelsregister- und Grundbuchverfahren, FGPrax 2017, 145
Haas/Neumayer, Die Tätigkeit von Vereinsgerichten. Rechtsprechung zwischen materiellem und Prozessrecht, NZG 2017, 881
Knaier/Pfleger, Der grenzüberschreitende Herausformwechsel einer deutschen GmbH, GmbHR 2017, 859
Otte-Gräbener, Rechtsfolgen der Löschung einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, GmbHR 2017, 907
Otto, Zur zwecklosen Unterscheidung von Neben- und Selbstzweck, solange der Verein im Hauptzweck gemeinnützig ist. Die BGH-Entscheidung zur Vereinsklassenzuordnung v. 16.05.2017 – II ZB 7/16, NotBZ 2017, 286
Perzborn, Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelungen bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften, RNotZ 2017, 405
Röcken, Der Idealverein mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb, MDR 2017, 1036
Schockenhoff, Der wirtschaftlich tätige Idealverein, NZG 2017, 931
Weber, Von der Identitätskontrolle zur materiellen Richtigkeit die neuen notariellen Prüfpflichten im Grundbuch- und Registerverkehr, RNotZ 2017, 427
Westermann, Reformüberlegungen zum BGB-Gesellschafts- und Vereinsrecht, NZG 2017, 921

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Clemente, Vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde und Verwertungsreife der Sicherungsgrundschuld, ZfIR 2017, 523
Hergenröder, Der Zugriff auf das Schuldnerverzeichnis im Spannungsfeld zwischen Gläubigerinteressen und Schuldnerschutz, DZWIR Bd. 27 S. 351
Kern, Die Vollstreckbarkeit ausländischer familienrechtlicher Zahlungstitel, IPrax 2017, 475
Koch/Wallimann, Die Reichweite der Rechtsbehelfsbelehrungspflicht nach § 232 ZPO: Auswirkungen einer bestehenden bzw. nichtbestehenden anwaltlichen Vertretung, JR 2017, 401
Müller, Neue Rechtsbegriffe im Zustellungsrecht. Sichere Übermittlungswege und das elektronische Empfangsbekenntnis (eEB), NJW 2017, 2713
Schroetter, Vorlage und Prüfung der Vollmachten für nichtanwaltliche Vertreter im Verfahren der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte, RpflStud. 2017, 155
Wedel, Das eng begrenzte materielle Prüfungsrecht des Rechtspflegers im gerichtlichen Mahnverfahren, JurBüro 2017, 396

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

Meerhoff, Versagung des Zuschlags wegen Tilgung einer erstrangigen Hypothek, ZfIR 2017, 528

Insolvenzrecht

Grote, Zur Kürzung der Vergütung im Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 3 Abs. 2 Lit. E InsVV, ZInsO 2017, 1653
Schröder/Rabenhorst, Darf dem Schuldner nach dem Insolvenzplan ein wirtschaftlicher Wert verbleiben? ZInsO 2017, 1769
Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht
Burhoff, Rechtsprechungsübersicht zu den Teilen 47 VV RVG aus dem Jahr 2016/2017 Teil 2, RVGreport 2017, 282
Köhler, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, (Teil 1/2). Überblick und Normverständnis für die Rechtspraxis, NStZ 2017, 497
Metz, Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO, NStZ 2017, 446
Schilling/Corsten/Hübner, Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, StraFo 2017, 305
Wenske, Der Psychosoziale Prozessbegleiter (§ 406g StPO), ein Prozessgehilfe sui generis, JR 2017, 457

Kostenrecht

Enders, Höchstwert 30 Mio. und Mitvergleichen nicht anhängiger Ansprüche Teil 1, JurBüro 2017, 337, Teil 2 JurBüro 2017, 393
Foerste, Der Streitwert der Drittwiderspruchsklage, NJW 2017, 2588
Schneider, H., Änderung der Vereinbarung über den Ausgleich von Kosten, JurBüro 2017, 339
Schneider, N., Verwerfung einer unzulässigen Beschwerde ohne mündliche Verhandlung, NZFam 2017, 693
Schneider, N., Die fiktive Terminsgebühr in Beschwerdeverfahren gegen Hauptsacheentscheidungen, NZFam 2017, 744
Schneider, N., Beauftragung eines Anwalts in Unkenntnis der Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme, ErbR 2017,476
Tiedtke/Sikora, GNotKG: Kostenrechtsprechung, DNotZ 2017, 2016

Buchbesprechungen

von Oefele/Winkler/Schlögel: Handbuch Erbbaurecht.
Herausgeber: Prof. Dr. Karl Winkler, Notar a. D. und Honorarprofessor an der Universität München und Dr. Jürgen Schlögel, Notar. Verlag C. H. Beck, München. 6. Auflage, 2016. XV, 645 Seiten, 85,– Euro ISBN 978-3-406-69596-4 Dipl.-Rechtspfleger Alexander Dressler, Großbeeren

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