Heft 6 / 2017 (Juni 2017)

Abhandlungen

Notar a. D. Professor Walter Böhringer:
Rückgabe bzw. Aktenaufbewahrung zur Grundbucheintragung eingereichter Urkunden 309

I. Problemlage
II. Antragsteller
III. Einzureichende Urkunden
IV. Behandlung eingereichter Papierurkunden
1. Medientransfer
a. Ersetzungswirkung des elektronischen Dokuments
b. Besondere Heftung mehrseitiger notarieller Urkunden
c. Heftung anderer Schriftstücke
d. Entheftung mehrseitiger Urkunden für Medientransfer
2. Aufbewahrungsort
3. Schicksal der Papier-Dokumente
a. Vernichtung der Papierurkunde
b. Archivierung beim Grundbuchamt
c. Archivierung im Landesarchiv
d. Rückgabe an Urkunden-Einreicher
V. Gebühren und Auslagen
Fazit

Steffen Kögel:
Entwicklungen im Handels- und Registerrecht seit 2015 – im Anschluss an die Übersicht in Rpfleger 2015, 373 ff. – 373

A. Handelsregister
I. Registerführung
1. Anmeldung
2. Verfahren
3. Publizität
II. Firmenrecht
III. Gesellschaftsrecht
1. Personenhandelsgesellschaften
2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung
a) Geschäftsanschrift und Sitz der Gesellschaft
b) Geschäftsführung und Vertretung
c) Aufsichtsrat
d) Gesellschafter(liste)
e) Gesellschafterversammlung
f) Gesellschaftsvertrag
g) Kapitalausstattung
h) Liquidation
i) Löschung
3. Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
4. Aktiengesellschaft / Unternehmensverträge
IV. Verschmelzung und Umwandlung
V. Recht der Zweigniederlassungen
VI. Internationales Gesellschaftsrecht
1. Handelsrecht
2. Partnerschaftsregister
B. Vereinsregister
1. Abgrenzung wirtschaftlicher Verein
2. Idealverein

Rechtsprechung

Sachen- und Grundbuchrecht
GBO § 29 Abs. 3; § 38; InsO § 32 Abs. 2 Satz 1 (Ordnungsgemäße Siegelung von Ersuchen) BGH, Beschluss vom 14.12.2016, V ZB 88/16

Ein lediglich drucktechnisch erzeugtes Behördensiegel genügt den im Grundbuchverfahren geltenden Formanforderungen des § 29 Abs. 3 GBO für ein Behördenersuchen nicht. Erforderlich ist vielmehr eine individuelle Siegelung mit einem Prägesiegel oder einem Farbdruckstempel.

BGB §§ 428, 875, 1094; GBO § 53 Abs. 1 Satz 2, § 47 Abs. 1 (Vorkaufsrecht, Gesamtberechtigung) BGH, Beschluss vom 13.10.2016, V ZB 98/15

a) Zur Aufhebung eines dinglichen Rechts, für das eine Gesamtberechtigung im Sinne des § 428 BGB besteht, ist, sofern sich aus dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis nicht etwas anderes ergibt, die Aufgabeerklärung aller Gesamtgläubiger erforderlich.
b) Ein dingliches Vorkaufsrecht kann nicht für mehrere Berechtigte als Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB bestellt werden.
c) Ist ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer solchen Gesamtberechtigung im Grundbuch eingetragen, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Recht in dem zulässigen Umfang gewollt war und damit entstanden ist.
d) Wurde ein dingliches Vorkaufsrecht mit einer Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB in das Grundbuch eingetragen, ist nur der das Gemeinschaftsverhältnis bezeichnende Teil der Eintragung inhaltlich unzulässig.

GBO § 13; Code Civil Art. 1400 ff. (Güterstand zwischen Ehegatten) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.1.2017, I-3 Wx 236/16

1. Die beantragte Eintragung eines Ehegatten als Alleineigentümer darf das Grundbuchamt nicht schon bei bloßen Zweifeln, sondern erst dann ablehnen, wenn es die auf Tatsachen gegründete sichere Kenntnis davon hat, dass durch die Eintragung das Grundbuch unrichtig wird.
2. Welcher Güterstand zwischen Ehegatten besteht (hier: womöglich aus dem Wohnsitz abzuleitender gesetzlicher Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft französischen Rechts), braucht das Grundbuchamt nicht zu ermitteln.
Mit Anmerkung von: Notar a. D. Professor Walter Böhringer, Heidenheim/Brenz

GBO §§ 20, 29; BGB §§ 925, 714, 709, 167, 164 (Notarielle Generalvollmacht) KG, Beschluss vom 17.11.2016, 1 W 562/16

Haben sich Familienmitglieder untereinander notarielle Generalvollmachten zur Vertretung „in vermögensrechtlicher Hinsicht“ erteilt, kann zum Nachweis der Auflassung an eine aus ihnen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts die für die Gesellschaft abgegebene Erklärung eines von ihnen im eigenen und unter Bezugnahme auf die Vollmachten im Namen der übrigen Gesellschafter ausreichend sein.

GBO § 34; BGB § 181; BNotO § 21 Abs. 3 (Notarielle Bescheinigung, Vertretungsmacht) OLG Nürnberg, Beschluss vom 9.1.2017, 15 W 2134/16

Den Anforderungen des § 34 GBO in Verbindung mit § 21 Abs. 3 BNotO genügt eine Bescheinigung, mit der als Ergebnis einer Subsumtion des Notars bestätigt wird, dass in Bezug auf ein konkretes Rechtsgeschäft der Vertreter kraft Vollmacht für den Vertretenen handeln durfte. Nicht erforderlich ist, dass die abstrakten Grenzen der Vertretungsberechtigung – wie die Befugnis zum Selbstkontrahieren – wiedergeben werden.

GBO § 40 Abs. 1 (Voreintragung) OLG Hamm, Beschluss vom 7.12.2016, I-15 W 393/16

Die Voreintragung sämtlicher Miterben ist nach § 40 Abs. 1 GBO auch dann nicht erforderlich, wenn das Grundstück auf einen oder mehrere Miterben übertragen wird.

GBO § 47 Abs. 2; GBV § 15 Abs. 1 (GbR als Gläubiger einer Zwangshypothek) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.12.2016, I-3 Wx 239/16

1. Soll eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen werden, müssen in den Eintragungsunterlagen sämtliche Gesellschafter benannt und nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Buchst. c GBV bezeichnet sein.
2. Lautet der bei Beantragung einer Zwangssicherungshypothek für eine Gesellschaft als Eintragungsunterlage allein in Betracht kommende Vollstreckungstitel nur auf die Gesellschaft, ohne auch deren sämtliche – und nicht nur die vertretungsberechtigten – Gesellschafter auszuweisen, ist die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf dieser Grundlage nicht möglich (unzureichend für die Angabe des Gesellschafterbestandes ist hier die Erwähnung der Gesellschafter als „gesetzliche Vertreter“ in einigen Titeln).
3. Besteht das grundbuchrechtliche Hindernis für jeden einzelnen Titel und erscheint die Behebung des Mangels in angemessener Zeit nicht möglich, so kommt der Erlass einer Zwischenverfügung nicht in Betracht (was umso mehr gilt wenn der Antragsteller – wie hier – trotz gerichtlichen Hinweises keine Anstrengungen unternommen hat, entsprechend ergänzte Titel beizubringen).

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
BGB §§ 1684, 1697a; FamFG §§ 26, 159 (Umgangsregelung, Wechselmodell) BGH, Beschluss vom 1.2.2017, XII ZB 601/15

a) Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.
b) Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 15. Juni 2016 – XII ZB 419/15 – FamRZ 2016, 1439 [= Rpfleger 2016, 729]). Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.
c) Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.
d) Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016 – XII ZB 419/15 – FamRZ 2016, 1439 [= Rpfleger 2016, 729]).

FamFG § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (Persönliche Anhörung des Betroffenen) BGH, Beschluss vom 11.1.2017, XII ZB 329/16

a) Das Absehen von einer erneuten persönlichen Anhörung nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG setzt voraus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrensfehlerfrei angehört worden ist und sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der erstmaligen Betreuerbestellung stattgefunden hat (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2016 – XII ZB 519/15 – FamRZ 2016, 627 und vom 26. Februar 2014 – XII ZB 503/13 – FamRZ 2014, 828).
b) Wird die Erweiterung einer Kontrollbetreuung auf Erkenntnisse gestützt, die das Gericht erst nach der letzten persönlichen Anhörung des Betroffenen erlangt hat, darf von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG abgesehen werden.

FamFG § 80; ZPO § 91 (Erstattungsfähige Kosten, Antragsrücknahme) BGH, Beschluss vom 25.1.2017, XII ZB 447/16

a) Im Rahmen von § 80 Satz 1 FamFG sind Aufwendungen der Beteiligten als notwendig anzusehen, wenn ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte, wobei der Grundsatz sparsamer Verfahrensführung gilt.
b) Erstattungsfähige Kosten im Sinne von § 80 Satz 1 FamFG sind auch solche, die der Antrags- oder Rechtsmittelgegner in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme des Antrags oder Rechtsmittels verursacht hat (Abgrenzung zu BGHZ 209, 120 = FamRZ 2016, 900).

FamFG § 251 Abs. 1 (Vereinfachtes Unterhaltsverfahren, Verfahrensfehler) OLG Bamberg, Beschluss vom 20.12.2016, 2 WF 254/16

Die fehlende Zustellung des Festsetzungsantrages und der unterlassene Hinweis auf die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen gem. § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG stellen einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses führt.

Erb- und Nachlassrecht
FamFG § 48 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 1919, 1981 (Aufhebung der Nachlassverwaltung) OLG Hamm, Beschluss vom 12.1.2017, I-15 W 237/16

Eine auf Antrag der Erben angeordnete Nachlassverwaltung ist aufzuheben, wenn der Verfahrenszweck der Verwaltung durch Erfüllung aller bekannten Nachlassverbindlichkeiten erledigt ist und zumindest einer der Miterben die Aufhebung der Verwaltung beantragt.

BGB § 119 Abs. 1 Alt. 1, §§ 1944, 2306 Abs. 1, § 2361 (Anfechtung der Versäumung der Erbausschlagungsfrist) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.12.2016, I-3 Wx 314/15

1. Die Versäumung der Erbausschlagungsfrist des § 1944 BGB kann wirksam angefochten werden wegen eines Inhaltsirrtums, der auch darin liegen kann, dass der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten, sondern wesentlich andere als die beabsichtigten Rechtswirkungen erzeugt.
2. Die ggf. die Annahme eines beachtlichen Inhaltsirrtums rechtfertigende Gefahr, dass der rechtsunkundige Erbe über die Rechtsfolgen einer Annahme bzw. fehlenden Erbausschlagung im Unklaren ist, besteht auch nach Neuregelung des § 2306 BGB fort (Anschluss des Senats an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2016, NJW 2016, 2954 [= Rpfleger 2016, 651]).

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
PartGG § 2 Abs. 1; StBerG § 53 S. 2 (Name der Partnerschaftsgesellschaft) OLG München, Beschluss vom 1.12.2016, 31 Wx 281/16

Bei Eintritt eines Rechtsanwalts in eine Steuerberatungsgesellschaft bedarf es generell nicht der Angabe seines Berufes im Namen der Partnerschaftsgesellschaft.

AktG § 81; FamFG §§ 21, 381 (Aussetzung des Anmeldeverfahrens) KG, Beschluss vom 9.12.2016, 22 W 99/16

Das auf die Eintragung eines durch den Aufsichtsrat bestellten Vorstandsmitglieds gerichtete Anmeldeverfahren kann nicht deshalb ausgesetzt werden, weil die Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes gerichtlich angegriffen wird.

Prozesskosten-, Verfahrenskosten- und Beratungshilfe
RVG § 15 Abs. 5 Satz 1 (Dieselbe Angelegenheit) PfälzOLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.12.2016, 6 WF 248/16

Ein Scheidungsverfahren, das sich durch Rücknahme des Scheidungsantrages erledigt, und ein später eingelegter neuer Scheidungsantrag, dem ein anderer Vortrag zugrunde liegt (späterer Trennungszeitpunkt) sind in der Regel gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit.

ZPO § 115 Abs. 3; SGB XII § 90 (Verfahrenskostenhilfe, einzusetzendes Vermögen) OLG Koblenz, Beschluss vom 15.11.2016, 11 WF 1038/16

Eine kapitalbildende Lebensversicherung ist zumindest teilweise, soweit sie das Schonvermögen übersteigt, zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen.
Leitsatz der Redaktion

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
ZPO §§ 766, 732, 724 (Einwand der fehlerhaften Vollstreckungsklausel) BGH, Beschluss vom 1.2.2017, VII ZB 22/16

Die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts gestellt. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2012 – VII ZB 57/11, NJW-RR 2013, 437 [= Rpfleger 2013, 161]; vom 23. Mai 2012 – VII ZB 31/11, NJW-RR 2012, 1148 [= Rpfleger 2012, 638]; vom 12. Januar 2012 – VII ZB 71/09, NJW-RR 2012, 1146 [= Rpfleger 2012, 321]).

ZPO § 850 f Abs. 1 b (Erhöhung des pfändungsfreien Betrages) LG Kiel, Beschluss vom 23.2.2017, 4 T 23/17

Eine Freigabe von vor dem Arbeitsgericht erstrittenen pfändbaren Gehaltsanteilen bzw. Abfindungen mit dem Ziel, damit die im Kündigungsschutzverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen, ist von den §§ 850 i, 850 f Abs. 1 b ZPO nicht erfasst.

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
ZVG § 69 Abs. 4 (Nachweis der Sicherheitsleistung) BGH, Beschluss vom 12.1.2017, V ZB 96/16

a) Wird in der Zahlungsanzeige der Gerichtskasse im Rahmen des Verwendungszwecks eine von dem Kontoinhaber bzw. Einzahler abweichende Person genannt, ist das regelmäßig dahin zu verstehen, dass diese Person in dem Versteigerungstermin als Bieter auftreten und die Sicherheitsleistung verwenden wird.
b) Enthält die Zahlungsanzeige keine eindeutige Verwendungsbeschränkung, hat das Vollstreckungsgericht davon auszugehen, dass die genannte Person entscheiden darf, ob sie die Sicherheitsleitung für ein Gebot im eigenen oder im fremden Namen einsetzt. Es ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob der Gerichtskasse weitere Informationen vorliegen, die sich aus der Zahlungsanzeige nicht ergeben.

ZVG § 55 Abs. 2; BGB §§ 93, 94, 97, 98, 1120 (Aufdachsolaranlage kein wesentlicher Bestandteil) OLG Nürnberg, Urteil vom 10.10.2016, 14 U 1168/15

Eine sogenannte Aufdachsolaranlage, die auf dem Dach eines Wohngebäudes montiert ist, zu dessen Stromversorgung sie nicht beiträgt, stellt weder einen (wesentlichen) Bestandteil noch Zubehör des Grundstücks bzw. des Gebäudes dar, wenn sie ohne einen unverhältnismäßigen Aufwand und ohne Verursachung von Beschädigungen vom Gebäude getrennt und andernorts wieder installiert werden kann.

ZVG §§ 57, 57a (Sonderkündigungsrecht des Erstehers) OLG Frankfurt, Urteil vom 4.11.2016, 13 U 111/16

1. Der Zeitpunkt der Verkündung des Zuschlags ist für die Bestimmung des ersten zulässigen Kündigungstermins im Sinne des § 57a ZVG auch dann maßgeblich, wenn neben der Zwangsversteigerung die Zwangsverwaltung angeordnet ist.
2. Die über den Zeitpunkt der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses fortbestehende Zwangsverwaltung hat weder zur Folge, dass das Sonderkündigungsrecht gemäß § 57a ZVG dem Zwangsverwalter zusteht, noch dass dieses von dem Ersteher erst nach der Aufhebung der Zwangsverwaltung ausgeübt werden kann.

Insolvenzrecht
InsO §§ 45, 87, 174, 175, 178, 179, 180 Abs. 2, § 181; ZPO § 240 (Forderungsanmeldung, Widerspruch) BGH, Urteil vom 26.1.2017, IX ZR 315/14

1. Ein Insolvenzgläubiger kann einen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit über eine Insolvenzforderung auch dann wirksam aufnehmen, wenn der Widerspruch nur auf insolvenzrechtliche Einwendungen gestützt wird.
2. In einem Feststellungsprozess richtet sich die Frage, welche Forderung nach Grund, Betrag und Rang festgestellt werden soll, nach der Anmeldung der Forderung durch den Gläubiger, nicht nach dem Inhalt der Eintragung der Forderung in die Tabelle.
3. Die Feststellung einer Forderung zur Tabelle, die nach dem Inhalt der Anmeldung von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung abhängig ist, ist aus Rechtsgründen nicht möglich (Bestätigung BGH, WM 2003, 2429).
4. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, aufgrund einer formal ordnungsgemäßen Anmeldung einer Forderung als Insolvenzforderung diese Forderung auch dann in die Tabelle einzutragen, wenn er meint, der Forderung stünden insolvenzrechtliche Einwendungen entgegen.

InsO § 302 Nr. 2, § 4a (Stundungsantrag, Geldstrafen) AG Göttingen, Beschluss vom 14.12.2016, 74 IK 352/16

1. Unter den Begriff der Geldstrafen i. S. d. § 302 Nr. 2 InsO fallen nicht die Verfahrenskosten.
2. Geldstrafen stehen der Stundung der Verfahrenskosten gem. § 4a InsO nicht entgegen, wenn der Schuldner bei wertender Betrachtung eine Chance für eine wirtschaftlichen Neustart erhält.
3. Eine gewichtige Bedeutung kommt der Höhe der Geldstrafe zu (Ergänzung zu AG Göttingen, Beschl. v. 14.10.2015 – 74 IN 181/15, ZInsO 2015, 2341 = NZI 2015, 946 = ZVI 2016, 460 = Rpfleger 2016, 51 und 09.12.2015 – 71 IN 101/15, ZInsO 2016, 174 = NZI 2016, 142 = ZVI 2016, 126).

Kostenrecht
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 (Erstattung eines privaten Sachverständigengutachtens) BGH, Beschluss vom 1.2.2017, VII ZB 18/14

Die Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein prozessbegleitend eingeholtes, privates Sachverständigengutachten ist nicht deshalb gegeben, weil einem solchen privaten Gutachten im Rahmen des Rechtsstreits ein höheres Gewicht zukäme als sonstigem Parteivortrag.

RVG VV 3105 (Terminsgebühr) BGH, Beschluss vom 24.1.2017, VI ZB 21/16

Die Gebühr nach RVG VV 3105 Anm. Abs. 1 Nr. 2 entsteht auch dann, wenn die Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ohne einen entsprechenden (Prozess-)Antrag des Klägers ergeht.

ZPO § 91 (Kosten des Gegners nach Antragsrücknahme) OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2016, 8 W 425/16

Nimmt eine mit einer Klage (hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) oder einem Rechtmittelüberzogene Partei anwaltliche Hilfe in Anspruch, sind die hierdurch angefallenen Kosten auch dann erstattungsfähig, wenn der Kläger/Antragsteller/ Rechtsmittelführer seine Anträge zwischenzeitlich zurückgenommen hat und der Gegner oder sein Vertreter hiervon unverschuldet keine Kenntnis hatte.

RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 und 3 Nr. 2 (Terminsgebühr nach dem Kostenwert einer Erledigung) HansOLG Hamburg, Beschluss vom 25.10.2016, 8 W 106/16

Ein Telefongespräch, in dem der Beklagtenvertreter dem Klägervertreter die Bezahlung der Klagforderung mitteilt, die Prüfung und Bestätigung der Erledigung des Rechtsstreits erbittet und sich mit dem Klägervertreter über eine Kostenbeteiligung der Klagpartei austauscht, kann eine Terminsgebühr nach dem Kostenwert der Erledigung auslösen.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum vom 26.3.2017 – 25.4.2017

BGBl. I
Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des §90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Vom 22. März 2017, BGBl. I 2017 S. 519
Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. März 2017, BGBl. I 2017 S. 654
Bekanntmachung zu den §§ 850c und 850f der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2017) vom 28. März 2017, BGBl. I 2017 S. 750
Einundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben vom 11. April 2017, BGBl. I 2017 S. 815
Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen vom 13.April 2017, BGBl. I 2017 S. 866
Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.April 2017, BGBl. I 2017 S. 872

Schrifttumshinweise

Sachen- und Grundbuchrecht

Armbrüster, Der Grundstückserwerb durch Wohnungseigentümergemeinschaften, NZG 2017, 441
Wilsch, Praxis der Grundbuch- und Grundakteneinsicht, insbesondere durch die Presse, NZM 2017, 244

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Engels/Matta/Maur/Schmitz, Qualität in der rechtlichen Betreuung. Erste Ergebnisse der rechtstatsächlichen Untersuchung im Auftrag des BMJV, BtPrax 2017, 53
Frie, Wer ist der richtige Vater? Streit um das »Günstigkeitsprinzip« in Art. 19 Abs. 1 EGBGB in der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung, StAZ 2017, 104
Harm, Das Hausrecht betreuter Menschen, BtPrax 2017, 66
Kesseler, Die Abwicklung von Grundstückskaufverträgen mit Betreuten, ZfIR 2017, 269
Weber, Die Entwicklung des Betreuungsrechts seit 2016, (Teil 2), NZFam 2017, 289

Erb- und Nachlassrecht

Kollmeyer, Durchsetzung von Auskunfts- und Herausgabeansprüchen gegen den (vorsorge-) bevollmächtigten Miterben, NJW 2017, 1137
Tschernoster, Der Minderjährige als Erbe und Vermächtnisnehmer – unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei Testamentsvollstreckung, RNotZ 2017, 125

Handels- und Registerrecht

Beck, Zur Eintragung der GbR in das Handelsregister, DNotZ 2017, 247
Ring, Die Rechtsprechung des BGH zum Personengesellschaftsrecht im Jahre 2016, NJ 2017, 89

Prozesskosten- und Beratungshilfe

Schneider, H., Anhebung des Vermögensschonbetrags nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII – Kosten- und vergütungsrechtliche Auswirkungen, FamRB 2017, 196
Viefhues, Auswirkungen der Verletzung der Mitteilungspflichten bei der Verfahrenskostenhilfe, FuR 2017, 135

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Gaul, Das geltende deutsche Zwangsvollstreckungsrecht. Ergebnis eines Wandels der Rechtsanschauung oder einer ungebrochenen Kontinuität? ZZP 2017, 3
Sahm, Stellvertretung bei der Vermögensauskunft in der Zwangsvollstreckung, NJW 2017, 1207
Ulrici, Der vereinfachte Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher. Ein Testballon im elektronischen Rechtsverkehr, NJW 2017, 1142
Volpert, Die kostenrechtlichen Auswirkungen des EuKoPfVODG (Europäische Kontenpfändung) RVGreport 2017, 122

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

Böttcher, Teilungsversteigerung aufgrund mehrerer Antragsteller, ZfIR 2017, 231

Insolvenzrecht

Harig, Restschuldbefreiung mittels Insolvenzplans, ZInsO 2017, 752
Lissner, Der verwirkte Vergütungsanspruch, ZInsO 2017, 754
Paul, Rechtsprechungsübersicht zum Insolvenzplanverfahren 2016, ZInsO 2017, 747
Reck, Ausgenommene Forderungen und Vollstreckung, ZVI 2017, 131
Sternal, Die Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahre 2016, NZI 2017, 281

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht

Cierniak/Niehaus, Aus der Rechtsprechung des BGH zum Strafverfahrensrecht, (1), NStZ-RR 2017, 97
Hillenbrand, Strafverfahren: Psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren, ZAP Fach 22 S. 875

Kostenrecht

Enders, Änderung der Kostenfestsetzung nach – geänderter – Streitwertfestsetzung, JurBüro 2017, 113
Schneider, H., Kosten für die Erteilung von Vollstreckungsklauseln, AGS 2017, 157

Buchbesprechungen

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch.
Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Franz Jürgen Säcker, Prof. Dr. Roland Rixecker, Prof. Dr. Hartmut Oetker und Präs. des BGH Bettina Limperg. 7. Auflage, 2016. Verlag C. H. Beck, München. Band 6: Schuldrecht – Besonderer Teil IV, §§ 705 bis 853, PartGG, ProdHaftG Redakteur: Prof. Dr. Mathias Habersack. 2714 Seiten, Ln., 299,– Euro Band 9: Familienrecht II, §§ 1589–1921, SGB VIII. Redakteur: Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Schwab. 2603 Seiten, Ln., 299,– Euro Band 10: Erbrecht, §§ 1922–2385, §§ 27–35 BeurkG. Redakteurin: Dr. Sibylle Kessal-Wulf. 2372 Seiten, Ln., 299,– Euro Prof. Udo Hintzen, Berlin
Handbuch Betreuungsrecht.
Von Sybille Meier und Horst Deinert. 2. Auflage 2016. Verlag C. F. Müller GmbH, Heidelberg. 480 Seiten, geb. 79,99 Euro, ISBN 978-3-8114-5202-2 Dipl.-Rpfl. Uwe Harm, Amtsgericht Bad Segeberg, Beisitzer im Vorstand des Betreuungsgerichtstages e. V.

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