Heft 9+10 / 2016 (September und Oktober 2016)

Abhandlungen

Privatdozent Dr. Peter Kreutz:
Weiterverdichtung europäischen Zivilverfahrensrechts: die vorläufige Kontenpfändung – die Verordnung (EU) Nr. 655/2014 und ihre Umsetzung in Deutschland – 509

I .Die vorläufige Kontenpfändung im Kontext der Ziele des Europarechts
1. Primäres Unionsrecht
2. Der europäische „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“
3. Das mit EU-Verordnung Nr. 655/2014 verfolgte Ziel
II. Das Verfahren der vorläufigen Kontopfändung nach EU-Recht
1. Anwendbarkeit der Verordnung
a) Vorliegen einer „grenzüberschreitenden Rechtssache“
b) Problematik des Erfordernisses einer „grenzüberschreitenden Rechtssache“
2. Regelungen zum weiteren Verfahren
a) Herbeiführung eines Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung
b) Vollziehung
III. Perspektiven der vorläufigen Kontenpfändung

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a. D.:
Die Pauschgebühr des Pflichtverteidigers – eine Bestandsaufnahme der Rechtsprechung zu § 51 RVG für die Jahre etwa ab 2011 – 515

I. Allgemeines
1. Allgemeine Überlegungen
2. Exkurs: Gesetzesänderung-/erweiterung
II. Geltungsbereich des § 51 RVG
1. Teil 6 VV RVG
2. Einzeltätigkeit
III. Voraussetzungen der Bewilligung
1. „Besonders umfangreiches“ Verfahren
2. „Besonders schwieriges“ Verfahren
3. Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren
IV. Bewilligungsverfahren
V. Höhe der Pauschgebühr
VI. Anspruch auf Vorschuss (§ 51 Abs. 1 S. 5 RVG)

Dipl.-Rechtspfleger Heinrich Hellstab:
Die Entwicklung des Kostenrechts und des Prozess-, Verfahrenskostenhilfe- und Beratungshilferechts seit 2014 523

A. Anwaltsvergütung
I. Anwaltsgebührenrecht
1. Abgeltungsbereich der Gebühren
2. Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG)
3. Mehrere Auftraggeber (Nr. 1008 VV RVG)
4 .Verfahrensgebühr (Nr. 3100, 3101 VV RVG, Vorbem. 3 Abs. 2, 5 VV RVG)
5. Terminsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 3, Nrn. 3104, 3105 VV RVG)
II. Vergütungsfestsetzung
1. Allgemein
2. Einwendungen
3. Zustellungsauslagen
B. Kostenfestsetzung im Zivilprozess
1. Kostengrundentscheidung
2. Kostenfestsetzungsverfahren
3. Materiell-rechtliche Einwendungen
4. Verzinsung
5. Umsatzsteuer
6. Beschwerdeverfahren
7. Einzelfragen der Erstattbarkeit
a) Allgemein
b) Auslagen, Privatgutachten, Vorbereitungskosten
c) Vertretungskosten
d) Vollstreckungskosten
C. Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe
I. Verfahren
1. Einsatz von Einkommen (§ 115 Abs. 1 ZPO, § 76 FamFG)
2. Einsatz von Vermögen (§ 115 Abs. 3 ZPO, § 76 FamFG)
3. Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 117 ZPO, § 76 FamFG)
4. Bewilligungsverfahren (§ 118 ZPO, § 77 FamFG)
5. PKH-Bewilligung, Rechtszug (§ 119 ZPO)
6. Änderung der PKH-Bewilligung (§§ 120, 120a ZPO)
7. Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO, § 78 FamFG)
8. Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts
9. Wirkungen der Prozesskostenhilfe-Bewilligung (§ 122 ZPO, § 76 FamFG)
10. Aufhebung der PKH-Bewilligung (§ 124 ZPO, § 76 FamFG)
11. Beitreibung der Anwaltskosten (§ 126 ZPO)
12. Entscheidung, Beschwerde (§ 127 ZPO, § 76 FamFG)
D. Beratungshilfe
1. Voraussetzungen
2. Zuständigkeit
3. Begriff der „Angelegenheiten“ (§ 2 Abs. 2 BerhG)

Rechtsprechung

Sachen- und Grundbuchrecht
BGB § 311b Abs. 1 Satz 1, §§ 873, 1094 (Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts) BGH, Urteil vom 8.4.2016, V ZR 73/15

Die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts gemäß § 873 BGB erforderliche Einigung muss, anders als das Verpflichtungsgeschäft, nicht notariell beurkundet werden (insoweit Aufgabe von BGH, Urteil vom 7.11.1990 – XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206)

GBO § 19; BGB § 1191 (Inhaltlich beschränkte Belastungsvollmacht) BGH, Beschluss vom 21.4.2016, V ZB 13/15

Zu den Prüfungspflichten des Grundbuchamts bei der Eintragung einer Grundschuld aufgrund einer im Außenverhältnis beschränkten Belastungsvollmacht, die es den Käufern erlaubt, das noch im Eigentum des Verkäufers stehende Grundstück als dingliche Sicherheit für die Finanzierung des Kaufpreises zu verwenden.

BGB § 1020 Satz 1, §§ 1093, 1169 (Ausübung des Wohnungsrechts) BGH, Urteil vom 11.3.2016, V ZR 208/15

1. Will der Grundstückseigentümer oder eine diesem nahestehende Person mit dem Berechtigten eines dinglichen Wohnungsrechts nicht mehr auf dem belasteten Grundstück zusammenleben, weil der Berechtigte an einem von ihnen ein vorsätzliches Tötungsdelikt begangen hat, kann die unveränderte Ausübung des Wohnungsrechts eine unzumutbare Belastung darstellen, die der Grundstückseigentümer bzw. sein Erbe nicht hinnehmen muss.
2. Folge dessen ist aber regelmäßig nicht die Verpflichtung zur (entschädigungslosen) Aufgabe des Rechts, sondern die Verpflichtung, es auf Verlangen des Grundstückeigentümers nicht mehr selbst, sondern durch Überlassung an Dritte auszuüben.

BGB §§ 1095, 1097 Abs. 1; GBO §§ 22, 29 (Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall) BGH, Beschluss vom 21.1.2016, V ZB 43/15

Das Erlöschen eines für den ersten Verkaufsfall bestellten und nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden dinglichen Vorkaufsrechts für einen Miteigentümer an dem Miteigentumsanteil des anderen Miteigentümers kann dem Grundbuchamt nicht durch den Zuschlagsbeschluss nachgewiesen werden, durch den der verpflichtete Miteigentümer das Grundstück in dem Zwangsversteigerungsverfahren zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft erwirbt.

BGB §§ 1184, 1190, 1416, 1419, 1482, 2111, 2113; GBO §§ 22, 51 (Gütergemeinschaft, Vorerbe) OLG München, Beschluss vom 14.3.2016, 34 Wx 239/15

1. Auch dann, wenn der überlebende Teil von in Gütergemeinschaft lebenden Eheleuten nicht alleiniger Vollerbe, sondern (nur) alleiniger Vorerbe geworden ist, gehören zum Nachlass nicht die Grundstücke oder ein gütergemeinschaftlicher Anteil an den Grundstücken des Gesamtguts, sondern nur der Anteil des Verstorbenen am Gesamtgut. Die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch ist in diesem Fall nicht zulässig (Anschluss an BGH NJW 1976, 893; BGHZ 171, 141; BayObLG Rpfleger 1996, 150).
2. Zur Auslegung einer auflösend bedingt bestellten Sicherungshöchstbetragshypothek bei fehlenden Anhaltspunkten zum Inhalt der Bedingung.

BGB §§ 727, 1922 Abs. 1; GBO §§ 19, 22 Abs. 1 S. 1 (Grundbuchberichtigung, Tod eines Gesellschafters) KG, Beschluss vom 29.3.2016, 1 W 907/15

Für die Grundbuchberichtigung nach dem Tod eines im Grundbuch eingetragenen GbR-Gesellschafters bedarf es keiner Vorlage des Gesellschaftsvertrags, wenn die Erbfolge in der Form des § 35 GBO nachgewiesen ist und sowohl die Erben als auch die weiteren im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter die Berichtigung gemäß §§ 19, 29 Abs. 1 S. 1 GBO bewilligen.

BGB § 1030 Abs. 1 und 2; GBO § 49 (Altenteil) OLG München, Beschluss vom 3.2.2016, 34 Wx 290/15

Behält sich der Übergeber von Grundbesitz an diesem den uneingeschränkten oder hinsichtlich des Nutzungsziehungsrechts nur unmaßgeblich beschränkten Nießbrauch vor, so kann der Nießbrauch nicht unter der Bezeichnung als Leibgeding im Grundbuch eingetragen werden (Anschluss an BayObLGZ 1975, 132).

GBO § 34; BNotO § 21 Abs. 3 (Reichweite des Nachweises einer notariellen Vollmachtsbescheinigung) OLG Hamm, Beschluss vom 10.3.2016, I-15 W 45/16

1. Wird im Grundbucheintragungsverfahren eine notarielle Bescheinigung einer durch Rechtsgeschäft begründeten Vertretungsmacht vorgelegt, die den Anforderungen des § 21 Abs. 3 BNotO entspricht, bedarf es regelmäßig nicht der zusätzlichen Vorlage derjenigen Urkunden, auf deren Grundlage der Notar die Bescheinigung ausgestellt hat.
2. § 34 GBO erleichtert nur die Form des Nachweises der Vertretungsberechtigung, lässt demgegenüber die Erforderlichkeit des Nachweises sämtlicher Glieder der Legitimationskette, die auf den eingetragenen Berechtigten zurückführt, unberührt.

GBO § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1, 3, Abs. 2 Satz 1; HGB § 131 Abs. 1 Nr. 2, §§ 145, 146 Abs. 1 Satz 1, § 149 Satz 2, §§ 155, 161 Abs. 2; BNotO § 21 Abs. 1 (Nachweis der Vertretungsberechtigung) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.1.2016, I-3 Wx 21/15

1. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer – aufgelösten – GmbH & Co. KG ist in der Phase der Liquidation der Gesellschaft zur alleinigen Vertretung nur berechtigt, wenn die GmbH durch Beschluss der Gesellschafter zur alleinigen Liquidatorin bestellt worden ist.
2. Der Nachweis der alleinigen Vertretungsberechtigung der – aufgelösten – GmbH & Co. KG in der Liquidation durch den Geschäftsführer der KomplementärGmbH als Voraussetzung für die Vornahme einer Grundbucheintragung (hier: Übertragung noch bei der Gesellschaft vorhandenen Grundbesitzes auf die Kommanditistin) ist dem Grundbuchamt – soweit nicht offenkundig – durch die Vorlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses in der grundbuchrechtlich vorgeschriebenen Form einer öffentlichen Urkunde zu erbringen.
3. Der erforderliche Nachweis der Vertretungsberechtigung der Komplementär-GmbH kann in Ansehung eines Beschlusses der Gesellschafter zur Auflösung der Gesellschaft mit der Folge des Erlöschens der Vertretungsberechtigung nicht durch Verweis auf die Eintragung der Komplementär-GmbH im Handelsregister geführt werden.

StPO § 111g Abs. 2, § 111h Abs. 1 und 2; ZPO § 929 Abs. 2, § 932 Abs. 1 und 3 (Vollziehung eines Arrestbefehls) OLG München, Beschluss vom 11.1.2016, 34 Wx 416/15

1. Die Zulassung des Geschädigten zur Zwangsvollstreckung aufgrund der strafprozessualen Vorschriften über die Rückgewinnungshilfe ersetzt nicht den zur Vollstreckung in Schuldnervermögen erforderlichen Vollstreckungstitel.
2. Die für die Vollziehung eines Arrestbefehls gesetzlich vorgeschriebene Vollziehungsfrist von einem Monat ab Zustellung an den Gläubiger wird nicht durch dessen Antrag auf Zulassung der Arrestvollziehung im Rahmen der Rückgewinnungshilfe gewahrt.

ZPO §§ 866, 867; GBO § 53 Abs. 1, § 71 Abs. 2 (Kapitalisierte Zinsen, Zwangshypotek) OLG München, Beschluss vom 15.4.2016, 34 Wx 37/16

Im Vollstreckungstitel als Nebenforderung ausgewiesene Zinsen können bei Eintragung der Zwangshypothek nicht als Teil der Hauptsache mit dem kapitalisierten Betrag des im Eintragungszeitpunkt bestehenden Rückstands eingetragen werden.

GBV § 86a; GBO § 12 (Versorgungsunternehmen, Grundbucheinsicht) Brandenbg. OLG, Beschluss vom 17.2.2016, 5 W 29/15

1. Versorgungsunternehmen kann die Einsicht in das Grundbuch in allgemeiner Form auch für sämtliche Grundstücke eines Grundbuchamtsbezirks durch das Grundbuchamt gestattet werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen.
2. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 86a Abs. 1 GBV von der in § 12 Abs. 3 Nr. 2 GBO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, dass bei Versorgungsunternehmen von der Darlegung des berechtigten Interesses im Einzelfall abgesehen werden kann. Die Dokumentationspflicht für die Einsichtnahme nach § 12 Abs. 4 GBO begründet nicht die durch § 86a Abs. 1 GBV, § 12 Abs. 3 GBO aufgehobene Pflicht zur Darlegung des berechtigten Interesses im Einzelfall neu.

GBV § 86a (Versorgungsunternehmen, Grundbucheinsicht) OLG Dresden, Beschluss vom 21.1.2015, 3 VA 9/14

1. Die Genehmigung nach § 86a GBV kann für ganze Gemarkungs- bzw. Grundbuchamtsbezirke erteilt werden.
2. Für die Antragstellung genügt die Angabe der von Versorgungsleitungen betroffenen Gemarkungen. Es ist nicht notwendig, im Antrag alle einzelnen betroffenen Grundbücher aufzuführen.

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
FamFG § 26 Abs. 1, § 74 Abs. 3 Satz 4; ZPO § 559 Abs. 1; BGB § 1896 Abs. 1 (Fehlende Bereitschaft des Betroffenen zur Zusammenarbeit) BGH, Beschluss vom 11.5.2016, XII ZB 363/15

a) Verweigert der Betroffene im Verfahren zur Aufhebung einer Betreuung beim erstinstanzlichen Anhörungstermin die Kommunikation mit dem Richter, ergibt sich allein hieraus keine Verpflichtung des Beschwerdegerichts zur erneuten Anhörung des Betroffenen.
b) Die fehlende Bereitschaft des Betroffenen zur Zusammenarbeit mit dem Betreuer (Unbetreubarkeit) lässt die Erforderlichkeit einer Betreuung nicht entfallen, wenn der Betreuer auch ohne Kommunikation mit dem Betroffenen in dessen Interesse und zu dessen Wohl rechtlich tätig werden kann (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 28. Januar 2015 – XII ZB 520/14 – FamRZ 2015, 650 [= Rpfleger 2015, 397]).
c) Legt der Betroffene erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren eine einen Dritten zu seiner Vertretung in bestimmten Angelegenheiten ermächtigende Vollmacht vor, handelt es sich hierbei um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz keine Berücksichtigung finden kann.

BGB § 1903 Abs. 1 (Einwilligungsvorbehalt) BGH, Beschluss vom 27.4.2016, XII ZB 593/15

Zu den Anforderungen an die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.

BGB § 1908 i Abs. 1 Satz 1, §§ 1893, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 1698 a; VBVG § 1 Abs. 2 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 6 Satz 1 (Vergütung des Betreuers) BGH, Beschluss vom 6.4.2016, XII ZB 83/14

Der Betreuer, der in Unkenntnis des Todes des Betroffenen zunächst weiter tätig wurde, ist insoweit allenfalls in analoger Anwendung von § 6 Satz 1 VBVG und nicht pauschal nach den §§ 4, 5 VBVG zu entschädigen.

BGB § 1836 Abs. 1, § 1908 i Abs. 1 Satz 1; VBVG § 1 Abs. 2 Satz 2; FamFG § 292 Abs. 1, § 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (Vergütungsanspruch des Betreuers) BGH, Beschluss vom 2.3.2016, XII ZB 196/13

Ein im Vergütungsfestsetzungsverfahren festzusetzender Vergütungsanspruch des Betreuers kann sich nur für den Zeitraum der Betreuerbestellung ergeben. Für einen Zeitraum, der zwischen dem Ablauf einer vorläufigen Betreuung und der Betreuerbestellung in der Hauptsache liegt, kommt ein solcher Anspruch deshalb nicht in Betracht.

BGB § 1915 Abs. 1, § 1643 Abs. 1 S. 1, §§ 1821, 1822 Nrn. 3, 8 (Familiengerichtliche Genehmigung, Wirkungskreis des Ergänzungspflegers) OLG Hamm, Beschluss vom 18.3.2016, 2 WF 170/15

1. Ist der Wirkungskreis eines Ergänzungspflegers auf die Regelung der Erbauseinandersetzung des minderjährigen Kindes mit der ansonsten allein sorgeberechtigten Kindesmutter beschränkt, gehört die Aufnahme eines Darlehens im Namen des Kindes zur Finanzierung der Erbschaftssteuer und zur Finanzierung der Erbauseinandersetzung zum Wirkungskreis des Ergänzungspflegers.
2. Der Abschluss eines Darlehensvertrages durch eine BGB-Gesellschaft, an der das minderjährige Kind beteiligt ist, zur Finanzierung der Erbauseinandersetzung mit der Kindesmutter bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung.
3. Das Familiengericht darf sich dabei nicht auf die Genehmigung der Erklärungen des Ergänzungspflegers im Zusammenhang mit den gefassten Gesellschafterbeschlüssen beschränken. Es hat vielmehr die Genehmigungsfähigkeit der von der BGB-Gesellschaft geschlossenen Darlehensverträge zu prüfen.
4. Die Beschwerde der BGB-Gesellschaft als Darlehensnehmer gegen die Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung ist unzulässig. Für den oder die Vertragspartner des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts ergibt sich aus der Versagung oder Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung grundsätzlich keine Rechtsbeeinträchtigung.

BGB § 1908i Abs. 1, § 1812 Abs. 1, § 1813 Abs. 1 Nr. 2 (Kündigung einer Lebensversicherung) OLG Nürnberg, Teilurteil vom 24.3.2016, 8 U 1092/15

1. Die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Betreuer des Versicherungsnehmers ist gemäß § 1908i Abs. 1, § 1812 Abs. 1, 1831 BGB unwirksam, wenn die vereinbarte Todesfallleistung mehr als 3.000 Euro beträgt.
2. Auf die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Betreuer des Versicherungsnehmers findet § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB über § 1908i Abs. 1 BGB analoge Anwendung.
3. Für die Bestimmung des Anspruchswertes analog § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung auf die vereinbarte Todesfallleistung und nicht auf den Rückkaufswert abzustellen.

Erb- und Nachlassrecht
BGB § 2285 (Anfechtung einer wechselbezüglichen Verfügung) BGH, Urteil vom 25.5.2016, IV ZR 205/15

Die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten durch einen Dritten wird nicht in entsprechender Anwendung von § 2285 BGB beschränkt.

BGB §§ 2247, 133 (Vollmacht als Testament) OLG München, Beschluss vom 31.3.2016, 31 Wx 413/15

Zur Auslegung einer Vollmacht als Erbeinsetzung (im Anschluss an BayObLG FamRZ 2000, 1539).

BGB § 2229 Abs. 4, § 2247 Abs. 1, 2, 3 Satz 1, §§ 2265, 2267 Satz 1, § 2270 Abs. 1, § 2271 Abs. 2 Satz 1 (Umdeutung einer wechselbezüglichen Verfügung) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.2.2016, I-3 Wx 40/14

1. Zur Umdeutung einer als wechselbezüglich gewollten Verfügung eines Ehegatten (der Ehefrau) im Falle der Unwirksamkeit der korrespektiven Verfügung des anderen (hier: wegen – unterstellter – Testierunfähigkeit des vorverstorbenen Ehemannes) in einem nach §§ 2265, 2267 Satz 1 BGB errichteten gemeinschaftlichen Ehegattentestament (Einsetzung zweier gemeinsamer Kinder zu gleichen Teilen als Miterben nach dem Tode des Letztversterbenden unter konkludenter Enterbung des weiteren Kindes) in eine einzeltestamentarische Verfügung der Ehefrau.
2. Zur Frage der Testierunfähigkeit (hier verneint für einen Zustand beginnender Demenz leichten Grades – Alzheimersche Erkrankung bzw. Multiinfarktdemenz unklarer Genese – bei der zur Zeit der Testamentserrichtung 95-jähigen Erblasserin).

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
HGB §§ 3, 53, 54 (Eintragung einer Ersatzfirma) OLG München, Beschluss vom 30.5.2016, 31 Wx 38/16

Die Eintragung einer sog. Ersatzfirma im Handelsregister durch den Insolvenzverwalter bedarf einer Änderung der Satzung der Gesellschaft.

UmwG §§ 191, 226; AEUV Art. 49, 54 (Grenzüberschreitender Formwechsel) KG, Beschluss vom 21.3.2016, 22 W 64/15

Die Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels einer französischen GmbH in eine deutsche GmbH ist nach den deutschen Vorschriften über den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH zu beurteilen. Die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Sitzwechsel einer Europäischen Aktiengesellschaft finden keine Anwendung.

FamFG § 15 Abs. 2 Satz 1, §§ 24, 26, 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und 3, § 64 Abs. 1 und 2, § 379 Abs. 2, § 383 Abs. 3, § 384 Abs. 1, § 393 Abs. 5, § 394 Abs. 2 und 3, § 395 Abs. 1; GmbHG § 35 Abs. 1 und 2 Satz 3, § 66 Abs. 5; ZPO § 170 Abs. 1 Satz 2; HGB § 10 (Rückgängigmachung einer Löschung im Handelsregister) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.3.2016, I-3 Wx 191/15

1. Der Antrag der Gesellschaft auf Rückgängigmachung ihrer Löschung im Handelsregister stellt sich der Sache nach nicht als – unstatthafte – Beschwerde gegen den Registereintrag, sondern als eine Anregung auf Einleitung des Verfahrens zur Löschung der Löschungseintragung gemäß § 395 FamFG dar.
2. Die Gesellschaft ist gegen eine ihre Anregung auf Rückgängigmachung ihrer Löschung im Handelsregister ablehnende Entscheidung des Registergerichts beschwerdeberechtigt, weil sie durch die Löschung in ihren eigenen Rechten (hier: materielle Existenz) betroffen ist.
3. Für das Amtslöschungsverfahren ist die bereits im Handelsregister gelöschte Gesellschaft als fortbestehend anzusehen und wird – ungeachtet dessen, dass die Vertretungsmacht ihres bisherigen Geschäftsführers an sich beendet ist – durch ihren bisherigen gesetzlichen Vertreter weiterhin vertreten.
4. Die Löschung der vollzogenen Eintragung der Löschung der Gesellschaft gemäß § 395 Abs. 1 FamFG wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 394 FamFG kommt nur in Betracht, wenn die Löschungseintragung auf einer Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften beruht, wovon bei der irrtümlichen Annahme der Vermögenslosigkeit nicht auszugehen ist.
5. Die Verpflichtung des Registergerichts, zur Vermeidung eines wesentlichen Verfahrensmangels dem gesetzlichen Vertreter der betroffenen Gesellschaft die bestehende Absicht einer Löschung wegen Vermögenslosigkeit bekannt zu machen, besteht nicht, wenn ein inländischer Aufenthalt des vorhandenen Geschäftsführers trotz hinreichender Ermittlungen nicht bekannt ist.
6. Die Bekanntmachung gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft kann auch nicht durch eine Zustellung an die Gesellschaft ersetzt werden, wohl aber an die im Handelsregister eingetragene inländische Geschäftsanschrift erfolgen, allerdings nur wenn davon auszugehen ist, dass dort Empfangsvorkehrungen unterhalten wurden und der Geschäftsführer der Gesellschaft dort als Zustellungsempfänger real in Betracht kommt (hier mit Blick auf den Wegzug nach Griechenland verneint).
7. Die Bekanntmachung der Löschungsabsicht des Registergerichts kann letztlich nur in dem für die Bekanntmachung von Eintragungen in das Handelsregister bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem nach § 10 HGB erfolgen. (gekürzter Leitsatz der Schriftleitung)

Prozesskosten-, Verfahrenskosten- und Beratungshilfe
ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 4, § 120a Abs. 2 S. 1 (Aufhebung der PKH) PfälzOLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.4.2016, 6 WF 39/16

Teilt die Partei, der Prozesskostenhilfe (Verfahrenskostenhilfe) bewilligt worden ist, dem Gericht entgegen § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO eine Änderung ihrer Anschrift nicht unverzüglich mit, kann die Bewilligung nicht ohne weiteres aufgehoben werden; vielmehr muss der Partei ein grobes Fehlverhalten nachgewiesen werden, wobei Zweifel nicht zu ihren Lasten gehen.

RVG §§ 45, 48; RVG VV 1000, 1003, 3101, 3104 (Vergütung bei Mehrvergleich) PfälzOLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.4.2016, 6 WF 57/16

Beim sog. Mehrvergleich umfasst die Vergütung, die dem im Weg der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu gewähren ist, regelmäßig auch die mit dem Vergleichsabschluss zusammenhängenden sonstigen Gebühren (neben der Einigungsgebühr auch Verfahrensgebühr; Terminsgebühr); dies gilt jedenfalls dann, wenn zwischen dem eigentlichen Verfahrensgegenstand und dem zusätzlichen Gegenstand des Mehrvergleichs ein enger Zusammenhang besteht (hier: Sorgerecht und Umgangsrecht).

RVG § 48 Abs. 3 und 5 (Mehrvergleich, Erstattung aus der Staatskasse) OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.2.2016, 8 WF 339/15

Die Formulierung, dass die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss einer Vereinbarung erstreckt wird, kann auch außerhalb der Regelung des § 48 Abs. 3 RVG dazu führen, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt für einen Mehrvergleich über nicht rechtshängige Ansprüche eine Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühr aus der Staatskasse zu erstatten sind.

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
ZPO § 850d Abs. 1 Satz 1, §§ 699, 794 Abs. 1 Nr. 4 (Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs) BGH, Beschluss vom 6.4.2016, VII ZB 67/13

1. Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erbringen, muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrundeliegt (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 6. September 2012 – VII ZB 84/10, NJW 2013, 239 [= Rpfleger 2012, 696]).
2. Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides kann dieser Nachweis durch den Gläubiger nicht geführt werden (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 5. April 2005 – VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663; vom 10. März 2011 – VII ZB 70/08, NJW-RR 2011, 791 [= Rpfleger 2011, 448]).

ZPO § 850i Abs. 1 Satz 1, § 850c Abs. 1, 2a (Sonstige Einkünfte, Pflichtteilsanspruch) BGH, Beschluss vom 7.4.2016, IX ZB 69/15

a) Sonstige Einkünfte, die kein Erwerbseinkommen sind, können nur für unpfändbar erklärt werden, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, 2a ZPO bestimmten Grundbeträge verbleibt (Ergänzung BGH, ZIP 2014, 1542).
b) Sonstige Einkünfte sind nur eigenständig erwirtschaftete Einkünfte. Ansprüche aus einem Pflichtteilsanspruch zählen nicht hierzu.

BGB § 797; ZPO §§ 828, 829 (Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung, Zwangsvollstreckungsvoraussetzung) BGH, Beschluss vom 7.4.2016, VII ZB 14/15

Der Gläubiger eines Titels, nach dem der Schuldner gemäß § 797 BGB nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet ist, muss für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dem Vollstreckungsgericht die Schuldverschreibungen und Zinsscheine im Original vorlegen, auch wenn sich diese in einer Sammelverwahrung befinden (Fortführung von BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 – VII ZB 64/07, BGHZ 177, 178 [= Rpfleger 2008, 648]).

ZPO §§ 704, 794, 801; OldLSpkG ND § 16 Abs. 2 Satz 2 (Beitreibungsbeschluss als Vollstreckungstitel) BGH, Beschluss vom 27.4.2016, VII ZB 61/14

§ 16 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes für den Landesteil Oldenburg betreffend die Landessparkasse zu Oldenburg vom 3. Juli 1933 (Gesetzblatt für den Freistaat Oldenburg – Landesteil Oldenburg –, Band 48, S. 431, in der Fassung der Bekanntmachung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt, Sonderband II [Sammlung des bereinigten niedersächsischen Rechts 1.1.1919 – 8.5.1945], S. 150) findet – soweit nicht Geldforderungen aus Darlehen, die durch ein Grundpfandrecht gesichert sind, oder Grundpfandrechte betroffen sind – keine Anwendung mehr, wenn die Gläubigerin nicht innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 18. Dezember 2012 (BVerfGE 132, 372; BGBl. I 2013, 162) festgesetzten Übergangsfrist von einem Jahr ab dem 31. Januar 2013 einen schriftlichen Antrag auf Zwangsvollstreckung bei einem Vollstreckungsorgan gestellt hat.

ZPO §§ 829, 750 Abs. 1 (Nachweis der Gläubigeridentität) LG Stuttgart, Beschluss vom 2.6.2016, 2 T 185/16

Allein die Tatsache, dass zwischen einer im Vollstreckungstitel genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts und dem Vollstreckungsgläubiger in der Rechtsform einer OHG Namensgleichheit besteht, bedeutet nicht zwingend, dass es sich um dieselbe Gesellschaft handelt. Bei Zweifeln an der Identität des Gläubigers ist das Vollstreckungsgericht zu Ermittlungen berechtigt.
(Leitsatz der Redaktion)

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
ZVG § 87 Abs. 1; ZPO § 227 (Verlegung des Zuschlagsverkündungstermins) BGH, Beschluss vom 12.5.2016, V ZB 141/15

Ein Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung darf nur aus zwingenden Gründen verlegt oder vertagt werden; erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO genügen nicht.

ZVG § 149 Abs. 1 (Wohnrecht des Schuldners) BGH, Urteil vom 21.4.2016, IX ZR 72/14

a) § 149 Abs. 1 ZVG setzt die Wohnnutzung des zwangsverwalteten Grundstücks bei Beschlagnahme kraft Eigentums und unmittelbaren Eigenbesitzes durch den Verfahrensschuldner und seine mitwohnenden Familienangehörigen voraus (Bestätigung NZI 2013, 766 [= Rpfleger 2013, 635]).
b) Der Wohnungsschutz für den Verfahrensschuldner und mitwohnende Angehörige entfällt, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme vollständig an einen Dritten zur alleinigen Nutzung vermietet und übergeben worden ist. Das gilt auch, wenn der Verfahrensschuldner von dem Dritten es zurückmietet.
c) Der Verfahrensschuldner und Grundstückseigentümer kann sich auf den Wohnungsschutz nicht berufen, wenn er den unmittelbaren Eigenbesitz erst nach Beschlagnahme des zwangsverwalteten Grundstücks erhält.

ZVG §§ 105, 113, 115; ZPO § 793 (Sofortige Beschwerde gegen Teilungsplan) LG Tübingen, Beschluss vom 22.4.2016, 5 T 73/16

Einer sofortigen Beschwerde gegen den Teilungsplan fehlt das Rechtsschutzinteresse, nachdem das Vollstreckungsgericht den Teilungsplan ausgeführt und den Versteigerungserlös ausgezahlt hat.
(Leitsatz der Redaktion)

Insolvenzrecht
InsO § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2 (Beschluss über Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters) BGH, Beschluss vom 9.6.2016, IX ZB 21/15

Ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, liegt nur vor, wenn er in einer vom Insolvenzgericht einberufenen und geleiteten Gläubigerversammlung getroffen wurde (§ 76 Abs. 1 InsO) und der Beschlussgegenstand als Tagesordnungspunkt öffentlich bekannt gemacht worden ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 InsO).

ZPO § 867 Abs. 1; BGB § 242 (Lästigkeitsprämie) OLG Köln, Urteil vom 20.1.2016, 2 U 86/15

Wird bei einem wertausschöpfend belasteten Grundstück von dem Grundstückserwerber an einen nachrangig durch eine Grundschuld gesicherten Gläubiger für die Erteilung der Löschungsbewilligung aus dem Kaufpreis eine Zahlung erbracht, kann sich der Insolvenzverwalter nicht auf einen insoweit der Masse zuständigen Zahlungsanspruch berufen.

InsO § 287a Abs. 2 Nr. 1, § 4c Nr. 1 und 5 (Stundungsbewilligung) AG Göttingen, Beschluss vom 13.4.2016, 74 IN 46/16

1. Voraussetzung für die Bewilligung von Stundung ist ein zulässiger Restschuldbefreiungsantrag. Daran fehlt es, wenn dem Schuldner innerhalb der letzten 10 Jahre vor Antragstellung Restschuldbefreiung erteilt wurde (§ 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO).
2. Hat der Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung verschwiegen, ist eine bewilligte Stundung gem. § 4c Nr. 5 InsO i. V. m. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO und § 4c Nr. 1 InsO aufzuheben.
3. Ist der Eröffnungsbeschluss noch nicht rechtskräftig, ist er aufzuheben und ein Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gem. § 26 InsO abzuweisen.

InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1 (Wirksame Bescheinigung, Verbraucherinsolvenz) AG Göttingen, Beschluss vom 20.4.2016, 74 IK 74/16

Eine wirksame Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt einen persönlichen Kontakt des Bescheinigers mit dem Schuldner voraus. Ein telefonischer Kontakt genügt nicht.

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht
StPO § 243 Abs. 4 S. 2; StGB § 263 Abs. 6, § 68 Abs. 1, § 68c Abs. 1 S. 2 (Negativmitteilungspflicht, Führungsaufsicht) OLG Dresden, Beschluss vom 10.3.2016, 2 OLG 26 Ss 762/15

1. Zur Negativmitteilungspflicht des Gerichts nach § 243 Abs. 4 S. 2 StPO.
2. Zur Bestimmung der Dauer einer Führungsaufsicht.

RVG VV Vorbem. 7 Abs. 2 (Geschäftsreise des beigeordneten Verteidigers) OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.2.2016, 3 Ws 409/15

Für die Abrechnung einer Geschäftsreise des beigeordneten Verteidigers ist im Regelfall auf die Strecke zwischen Kanzlei- und Gerichtssitz abzustellen. Dies gilt auch, wenn der beigeordnete Verteidiger zu dem Gerichtstermin direkt von seinem Wohnsitz aus anreist; lediglich wenn der Wohnsitz näher am Gerichtsort liegt, kann der beigeordnete Verteidiger nur die tatsächlich gefahrene (kürzere) Strecke abrechnen.

Kostenrecht
ZPO §§ 103, 104; BGB § 242 (Verwirkung des Kostenfestsetzungsanspruchs) OLG Koblenz, Beschluss vom 8.3.2016, 14 W 102/16

1. Die Verwirkung eines Kostenfestsetzungsanspruchs setzt neben dem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment voraus.
2. Das Umstandsmoment wiederrum setzt einerseits ein vom Kostengläubiger verursachtes Vertrauen voraus, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird, andererseits eine darauf kausal beruhende Vermögensdisposition des Kostenschuldners.

RVG VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt.; ZPO § 91 a (Entstehen der Terminsgebühr) OLG Köln, Beschluss vom 6.4.2016, 17 W 67/16

Schließen die Parteien während des Rechtsstreits außergerichtlich einen Vergleich und erklären sie deshalb den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, fällt eine Terminsgebühr an, wenn das Gericht einen Beschluss nach § 91 a ZPO ohne mündliche Verhandlung erlässt und auch zuvor eine solche nicht stattgefunden hatte.

RVG VV 1000; ZPO § 91 a (Entstehen einer Einigungsgebühr) OLG Köln, Beschluss vom 9.3.2016, 17 W 287/15

Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, ohne sich über die Kostenverteilung einigen zu können, die sie deshalb dem Gericht überlassen, fällt eine Einigungsgebühr an.

RVG VV 3100 (Entstehen der Verfahrensgebühr) OLG Koblenz, Beschluss vom 1.4.2016, 14 W 154/16

Auch allein durch die Stellungnahme zu einem Antrag nach § 769 ZPO wird eine die Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit entfaltet, da hierin prozessbezogener Schriftverkehr zu sehen ist. Auf die Rechtshängigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO kommt es insoweit nicht an.

GNotKG § 40 Abs. 1 Satz 1, § 79; BGB § 1967 Abs. 2 (Nachlassverbindlichkeit) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.4.2016, I-3 Wx 62/16

Die vom Erblasser eingegangene, auf seinen Tod aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Rückübertragung eines ihm von seinen Eltern gegen Einräumung des dinglichen lebenslangen Wohnrechts übertragenen Grundstücks stellt eine „vom Erblasser herrührende“ Verbindlichkeit (Erblasserschuld) im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 2 GNotKG dar.

GNotKG § 52; BGB §§ 882, 1090 (Wert für Mieterdienstbarkeit) OLG München, Beschluss vom 25.2.2016, 34 Wx 385/15

Der gebührenrechtliche Wert für die Eintragung einer Mieterdienstbarkeit im Grundbuch berechnet sich nach dem Bruttobetrag des als Gegenleistung für die abgesicherte schuldrechtliche Nutzungsgestattung vereinbarten Mietzinses auch dann, wenn der Mieter zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum vom 26.6.2016 – 25.7.2016

BGBl. I
Zweites Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt vom 5. Juli 2016, BGBl. I 2016 S. 1578
Zweites Gesetz über die weitere Bereinigung von Bundesrecht vom 8. Juli 2016, BGBl. I 2016 S. 1594
Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016, BGBl. I 2016 S. 1610
BGBl. II
Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Juni 2015 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Kosovo über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen vom 18. Juli 2016, BGBl. II 2016 S. 938

Schrifttumshinweise

Sachen- und Grundbuchrecht

Büttner/Frohn, Elektronische Antragstellung in Grundbuchsachen, (2), NotBZ 2016, 241
Herrler, Aktuelles zur Dienstbarkeit, RNotZ 2016, 368

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Bienwald, Eine vergessene Regelung zur Eignung einer Person als rechtlicher Betreuer, RpflStud. 2016, 93
Büchner/Mach-Hour, Verfahrensbeistandschaft bei Kindeswohlgefährdung, NZFam 2016, 597
Hansbauer, Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ehrenamtliche Einzelvormundschaften als Alternative zur Amtsvormundschaft? JAmt 2016, 290
Kloster-Harz, Beteiligung der Großeltern in Kindschaftsverfahren, NZFam 2016, 529

Erb- und Nachlassrecht

Hahn, Die gegenständlich beschränkte Erbeinsetzung, ZEV 2016, 360
Horn, Auskunftsrechte des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten, NJW 2016, 2150
Horndasch, Der Ausschluss des Ehegattenerbrechts. § 1933 BGB und der Tod während des Scheidungsverfahrens, FuR 2016, 394
Musielak, Der Irrtum des Erblassers und der Erben, ZEV 2016, 353
Siebert, Fiskuserbrecht wird immer bedeutsamer, EE 2016, 105

Handels- und Registerrecht

Busch, Die Vertretung der Rechtsträger des Handelsrechts, RpflStud. 2016, 94
Hermanns, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung in der notariellen Praxis, MittBayNot 2016, 297
Klein, Kommunalwirtschaftliche Eigen- und Regiebetriebe im Spiegel des Handelsregisterrechts, MittBayNot 2016, 291
Streicher, Das Antragsrecht der Notare: eine Möglichkeit, Handelsregisteranmeldungen zu vereinfachen, GmbHR 2016, 686

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Lüttringhaus, Die Europäisierung des Zwangsvollstreckungsrechts im Bereich der vorläufigen Kontenpfändung. Der Europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung und seine Wechselwirkungen mit der deutschen Zivilprozessordnung, ZZP 2016, 187
Wasserl, Das Reparaturgesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2016, 139

Insolvenzrecht

Blankenburg, Der betreute Schuldner in der Insolvenz, ZVI 2016, 257
Lenger/Finsterer, Die Insolvenzantragspflicht von Stiftungen und Vereinen – Schlechterstellung durch Privilegierung? NZI 2016, 571
Lissner, Zuschlag, Abschlag oder Fehlschlag? ZVI 2016, 263
Lissner, Die Rechtsstellung des Sonderinsolvenzverwalters, ZInsO 2016, 1409
Swierczok/Kontny, Das Akteneinsichtsrecht im Insolvenzverfahren nach § 4 InsO iVm § 299 ZPO, NZI 2016, 566
Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht
Burhoff, Rechtsprechungsübersicht zu § 14 RVG in Straf- und Bußgeldsachen im Jahr 2015/2016, RVGreport 2016, 242
Burhoff, Die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (Nrn. 4142, 5116 VV RVG), RVGreport 2016, 282
Cierniak/Niehaus, Aus der Rechtsprechung des BGH zum Strafverfahrensrecht – 4. Teil, NStZ-RR 2016, 193

Kostenrecht

Felix, Gerichtskosten in Nachlasssachen – Teil I, JurBüro 2016, 340
Klüsener, Anwaltswechsel zwischen Mahnverfahren und Streitverfahren, JurBüro 2016, 337
Schneider, H., Zweitschuldnerhaftung bei Aufhebung von Prozesskostenhilfe, AGS 2016, 313
Schneider, N., Verfahrenswerte bei Anträgen auf Nutzungsentschädigung wegen Überlassung der Ehewohnung, NZFam 2016, 543
Schneider, N., Abrechnung bei Vergleich über anderweitig anhängige Ansprüche NJW-Spezial 2016, 411
Schneider, N., Kosten in Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 1-3 FamFG, NZFam 2016, 606

Buchbesprechungen

BGB. Kommentar.
Herausgegeben von Professor Dr. Hanns Prütting, Köln, Prof. Dr. Gerhard Wegen, Stuttgart und Vorsitzender Richter am OLG a. D. Gerd Weinrich. 11. überarbeitete Auflage 2016. Wolters Kluwer, Verlag Luchterhand, Köln. S. 3908, geb. 130,– Euro mit Online Zugriff auf JURION Prof. Udo Hintzen, Berlin
ZPO. Kommentar.
Herausgegeben von Professor Dr. Hanns Prütting, Köln und Richter am BGH Prof. Dr. Markus Gehrlein, Landau. 8. überarbeitete Auflage 2016. Wolters Kluwer, Verlag Luchterhand, Köln. S. 3188, geb. 139,– Euro mit Online Zugriff auf JURION Prof. Udo Hintzen, Berlin
Stöber: ZVG.
21., neubearbeitete Auflage, 2016. Verlag C. H. Beck, München. XXI, 1.666 Seiten, Ln. 125,– Euro Prof. Udo Hintzen, Berlin
Thomas/Putzo: Zivilprozessordnung
mit FamFG Verfahren in Familiensachen, EGZPO, GVG, EGGVG, EU-Zivilverfahrensrecht. Begründet von Prof. Dr. Heinz Thomas (†) und Professor Dr. Hans Putzo (†), fortgef. von Dr. Klaus Reichold, Dr. Rainer Hüßtege und Dr. Christian Seiler. 37. Auflage, 2016. Verlag C. H. Beck, München. XXXIV, 2368 Seiten, Ln., 63,– Euro Erhard Alff, Dipl.-Rechtspfleger, Amtsgericht Hamburg

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