Heft 2 / 2016 (Februar 2016)

Abhandlungen

Prof. Dr. Volker Beuthien:
Was ist ein wirtschaftlicher Verein, was ein nichtwirtschaftlicher? – Zur Abgrenzung der Vereinsarten – 65

A. Die Enge des privatrechtlichen Körperschaftssystems
I. Begrenzte Wirtschaftsvereinsfreiheit
II. Rechtsprechungswandel
B. Die vorherrschende Abgrenzung der Vereinsarten
I. Die herkömmliche Abgrenzung
II. Die typologische Abgrenzungsmethode
1. Drei Wirtschaftsvereinstypen
2. Schwächen der Vereinstypenlehre
III. Zunehmender Verzicht auf die Gewinnstrebigkeit
IV. Nur begrenzte Hilfe durch das Nebenzweckprivileg
1. Sinn des Nebenzweckprivilegs
2. Reichweite des Nebenzweckprivilegs
3. Unergiebigkeit des Nebenzweckprivilegs
V. Kostendeckend wirtschaftende Idealvereine
1.Unerlässliches Nebeneinander von Haupt- und Nebenzweck
2. Geringe Gläubigergefährdung
3. Unerheblichkeit der Kostendeckungsart
4. Typische Gewinnstrebigkeit allen Wirtschaftens
VI.Idealvereine mit wirtschaftliche Ziele verfolgenden Beteiligungsgesellschaften
C. Typische Fallgruppen
I. Wirtschaftsvereine ohne ideelle Hauptzwecktätigkeit
II.Wirtschaftsvereine mit leistungsimmanentem Idealzweck
1. Förderung der Schwimmkultur
2. Pflege, Gestaltung und Erhaltung der Kulturlandschaft
3.Förderung des Glaubens oder der erneuerbaren Energien
4. Förderung des nachbarschaftlichen Zusammenlebens
III. Nur mittelbar ideelle Zwecke verfolgende Wirtschaftsvereine
IV. Wirtschaftlich kostendeckend fördernde Idealvereine
V. Idealvereine mit untergeordneter wirtschaftlicher Nebenzweckverfolgung
VI. Idealvereine mit gleich- oder überwiegender wirtschaftlicher Nebenzweckverfolgung
VII. Idealvereine mit unternehmerischer Beteiligung
D. Rechtsdogmatische Schlussfolgerungen
I. Allgemeine Begriffsbestimmungen
II. Begriff der Wirtschaftlichkeit
III. Begriff des Wirtschaftsvereins
1. Äußerer oder innerer Markt
2. Ertrag beim Verein oder den Mitgliedern
3. Grundsätzliche Gewinnstrebigkeit
4. Konkrete oder abstrakte Gläubigergefährdung?
5. Nur begrenzt entlastender Gewinnverzicht
6. Freie Art und Weise der Selbstfinanzierung
7. Unternehmerisches Wagnis
IV. Begriff des nichtwirtschaftlichen Vereins
E. Zusammenfassung der Ergebnisse

Richter am Amtsgericht Dr. Holger Büttner:
Der § 6 Justizbeitreibungsordnung ein Ping-Pong-Spiel der Zuständigkeiten 81

A. Problemstellung
B.Zuständigkeit für die Entscheidung über Anträge nach § 850k ZPO
I. Allgemeines
II. Die allgemeine Zuständigkeit bei Entscheidungen nach § 850k ZPO
C. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen der Voll- streckungsbehörde und dem Vollstreckungsgericht
I. Grundsatz
II. Literatur
III. Rechtsprechung
1. Ansicht
2. Das Problem der Rechtsprechung
IV. Stellungnahme
V. Zwischenergebnis
D. Die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Vollstreckungsgerichts
I. Entscheidung über die funktionelle Zuständigkeit
II. Zuständigkeit für die Entscheidung über Anträge nach § 850k ZPO im Rahmen des § 6 JBeitrO
1. Die Abgrenzung der Zuständigkeit innerhalb des Vollstreckungsgerichts
2. Ist der Pfändungsschutzantrag eine Einwendung?
III. Stellungnahme
1. Definition „Pfändungsschutzantrag“ im Sinne des § 850k ZPO
2. Der § 850k ZPO Auslöser einer Vollstreckungserinnerung?
E. Zusammenfassung

Rechtsprechung

Sachen- und Grundbuchrecht
GBO § 51 (Berichtigung eines Nacherbenvermerks) OLG Hamm, Beschluss vom 21.8.2015, I-15 W 319/15

Ein Nacherbenvermerk, der die Person des Nacherben und die eines Ersatznacherben bezeichnet, ist nach dem Tode des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls nicht dahin zu berichtigen, dass der Ersatznacherbe an die Stelle des Verstorbenen getreten ist.
Mit Anmerkung von: Ulrich Holzer, Rechtsanwalt in Bocholt

ZPO §§ 829, 857; BGB § 883; GBO § 22 (Eintragung der Pfändung einer Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch) OLG Rostock, Beschluss vom 21.8.2015, 3 W 173/13

1. Da eine Vormerkung selbst nicht gepfändet werden kann, sondern nur der durch sie gesicherte Anspruch, kommt es für die Wirkung der Pfändung darauf an, ob der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch von der Pfändung betroffen ist.
2. Die Pfändung des Anwartschaftsrechts kann bei der Eigentumsvormerkung erst dann im Grundbuch eingetragen werden, wenn die Auflassung in grundbuchrechtlicher Form nachgewiesen ist.
Mit Anmerkung von: Dipl.-Rechtspfleger Horst Bestelmeyer, Gauting

GBO § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 6 Abs. 2 (Bestandteilszuschreibung) OLG Hamm, Beschluss vom 9.7.2015, 15 W 258/14

Für den grundbuchverfahrensrechtlichen Vollzug einer Bestandteilszuschreibung ist ausreichend, dass die Einheitlichkeit der Rangverhältnisse der das Hauptgrundstück und das zuzuschreibende Grundstück belastenden Grundpfandrechte mit der Eintragung der Bestandteilszuschreibung hergestellt wird.

GBO §§ 22, 29, 53, 71 Abs. 2 Satz 1; BGB § 891 (Umwandlung in Eigentümergrundschuld) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.7.2015, I-3 Wx 98/15

Hatte das Grundbuchamt keine greifbaren Anhaltspunkte für die mögliche Umwandlung einer im Grundbuch eingetragenen Fremdgrundschuld in eine Eigentümergrundschuld des früheren Eigentümers, denen es hätte nachgehen müssen, so wird mit Blick auf die nicht widerlegte Vermutung des § 891 BGB das Grundbuch durch die auf Bewilligung des eingetragenen Berechtigten vorgenommene Löschung nicht unrichtig.

WEG § 12 (Zustimmung der Wohnungseigentümer) OLG Hamm, Beschluss vom 16.7.2015, I-15 W 294/15

Die Bestimmung einer Teilungserklärung, dass zur Veräußerung eines Wohnungseigentums die Zustimmung der „Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer“ erforderlich ist, ist dahin auszulegen, dass als zustimmungsberechtigt die Eigentümerversammlung bezeichnet wird, die darüber im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mit der dafür in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Mehrheit zu entscheiden hat.

WEG § 12 Abs. 1 und 3; GBO § 20 (Zustimmungserfordernis bei Veräußerung von Wohnungseigentum) OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.8.2015, 15 W 788/15

1. Bedarf nach der Teilungserklärung gemäß § 12 Abs. 1 WEG die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung der Wohnungseigentümer oder Dritter (etwa des Verwalters), dann gilt dies auch für die Überlassung und Auflassung des der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zustehenden Wohnungseigentums an eines ihrer Mitglieder (im Anschluss an BayObLG Rpfleger 1982, 177).
2. Das Zustimmungserfordernis nach § 12 Abs. 1 WEG wird grundsätzlich auch dann ausgelöst, wenn der Erwerber als Miterbe bereits der Wohnungseigentümergemeinschaft angehört (im Anschluss an BayObLG Rpfleger 1982, 177; KG MDR 2011, 718; OLG Karlsruhe ZWE 2012, 490).
3. Sieht die Teilungserklärung eine Ausnahme von diesem Zustimmungserfordernis für Veräußerungen an Verwandte bestimmten Grades des Veräußerers vor, dann greift diese Ausnahme auch dann, wenn das erwerbende Mitglied zu den übrigen Mitgliedern der Miterbengemeinschaft diesen Verwandtschaftsgrad aufweist.

GBO § 53 Abs. 1; ZPO §§ 724, 726, 751 Abs. 1, § 867 Abs. 1 (Zwangshypothek, Ratenzahlungs- und Verfallklausel) OLG München, Beschluss vom 17.7.2015, 34 Wx 199/15

1. Im Verfahren auf Eintragung einer Zwangshypothek hat das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan bei einer im vorgelegten Titel enthaltenen Ratenzahlungs- und Verfallklausel, auch wenn eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt ist, den Ablauf des Kalendertags als Bedingung für den Vollstreckungsbeginn selbständig zu prüfen.
2. Unstreitige Erfüllung kann und muss das Vollstreckungsorgan berücksichtigen.

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
BGB § 1897 Abs. 1 und 5; FamFG § 72 Abs. 1 (Eignung als Betreuer) BGH, Beschluss vom 30.9.2015, XII ZB 53/15

a) Zu den bei der gemäß § 1897 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Beurteilung der Eignung als Betreuer zu berücksichtigenden Umständen.
b) Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt.
c) Bei der Auswahl gemäß § 1897 Abs. 5 BGB zwischen mehreren geeigneten Personen steht dem Tatrichter ein Ermessen zu. Die Auswahlentscheidung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter sich des ihm zustehenden Ermessens bewusst gewesen ist, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat. Hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Auswahl der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich entzogen. Ausreichend ist insofern, dass die vom Tatsachengericht vorgenommene Auswahl möglich ist, auch wenn sie nicht zwingend erscheint oder eine andere Auswahl ebenso nahe- oder sogar nähergelegen hätte.

BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2; FamFG §§ 26, 280 (Widerruf der Vorsorgevollmacht) BGH, Beschluss vom 19.8.2015, XII ZB 610/14

Ist zweifelhaft, ob eine Vorsorgevollmacht wirksam widerrufen worden ist, können die Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten wegen der dadurch bedingt eingeschränkten Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr regelmäßig nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden.

Erb- und Nachlassrecht
VO (EG) Nr. 2201/2003 Art. 1 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 Buchst. f (Zuständigkeit für die Genehmigung einer Vereinbarung zur Erbauseinandersetzung) EuGH (3. Kammer), Urteil vom 6.10.2015, Rs. C-404/14

Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ist dahin auszulegen, dass die Genehmigung einer Vereinbarung zur Erbauseinandersetzung, die ein für minderjährige Kinder bestellter Verfahrenspfleger für diese abgeschlossen hat, eine die Ausübung der elterlichen Verantwortung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung betreffende Maßnahme darstellt, die somit in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, und nicht eine Erbschaften im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. f dieser Verordnung betreffende Maßnahme, die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen ist.

FamFG §§ 80, 81 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 528 Satz 2 (Kostenentscheidung in streitiger Nachlasssache) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.9.2015, I-3 Wx 119/15

1. Eine nach § 81 Abs. 1 und 2 FamFG vom Amtsgericht getroffene Ermessensentscheidung bezüglich der Verfahrenskosten (hier: im Anschluss an einen im Termin zur Beweisaufnahme über die Testierunfähigkeit nach Vernehmung von Zeugen geschlossenen Vergleich, worin sich die Beteiligte zu 2 dazu verpflichtet, einen Rechtsbehelf gegen den der Beteiligten zu 1 zu erteilenden Erbschein nicht einzulegen und diese im Gegenzug die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 2 anerkennt) ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt in: FGPrax 2014, 44 m. w. N.) nur auf etwaige Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung zu überprüfen; nur bei derartigen Ermessensfehlern ist das Beschwerdegericht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen.
2. Für die Annahme, dass ein (Erbscheins-)Antrag von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Antragsteller dies erkennen musste sowie die hieran anknüpfende Kostenfolge des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG genügt es nicht, dass der Antrag zurückgewiesen wird oder dass sich – wie hier der Fall – dessen Aussichtslosigkeit, etwa während einer Beweisaufnahme, abzeichnet und deshalb ein Vergleich geschlossen wird.
3. In streitigen Nachlasssachen als Verfahren mit einem vermögensrechtlichen Schwerpunkt – im Unterschied zu Familiensachen – kommt dem Maß des Obsiegens und Unterliegens nach aufrecht zu erhaltender Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 28.01. 2015 – I-3 Wx 217/14 und 04.04.2014 – I-3 Wx 115/13 bei juris, jeweils m. w. N) besondere Bedeutung zu (hier, mit der Folge, dass die Beteiligte zu 2 durch ihre Erklärung, gegen einen der Beteiligten zu 1 zu erteilenden Erbschein Rechtsmittel nicht einlegen zu wollen, ihren eigenen Antrag konkludent zurückgenommen, sich hierdurch in die Rolle der unterlegenden Partei begeben hat und sich daher im Beschwerdeverfahren über die – ihr nachteilige – Kostenentscheidung nicht mehr darauf berufen kann, der Erblasser sei tatsächlich doch testierunfähig gewesen).
4. Das im zivilprozessualen Berufungsverfahren (§ 528 Satz 2 ZPO) wurzelnde Verbot einer Schlechterstellung des Rechtsmittelführers im Rahmen des von ihm eingelegten Rechtsmittels ist auch im isolierten Kostenbeschwerdeverfahren zu beachten, was den Senat hier daran hindert, der Beteiligten zu 2 die Gerichtskosten – mit Ausnahme der Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins – und die der Beteiligten zu 1 im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
BGB §§ 40, 58 Nr. 4, § 67 Abs. 1 (Einladung zur Anschlussversammlung) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.9.2015, I-3 Wx 167/15

1. Dem Antragsteller ist es nicht verwehrt, eine einmal zurückgenommene Anmeldung zum Vereinsregister (hier: Ausscheiden des alten und Eintritt des neuen 1.Vorsitzenden) bei unveränderter Sachlage zu wiederholen.
2. Ist eine ordnungsgemäß („. . . unter Wahrung einer Frist von 3 Wochen schriftlich an alle Mitglieder . . .“) durch den Vereinsvorstand einberufene Mitgliederversammlung mangels der satzungsgemäß vorgesehenen Anwesenheit von 25 % der stimmberechtigten Mitglieder nicht beschlussfähig und sieht die Satzung für diesen Fall vor, dass der Versammlungsleiter die Versammlung auflösen und sofort als neue Mitgliederversammlung wieder einberufen kann und diese Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig sei, so erfüllt die bereits im Einladungsschreiben des Vorstands enthaltene Ersatzeinladung zu einer Mitgliederversammlung mit identischer Tagesordnung am selben Tag und am selben Tagungsort unter Hinweis, dass diese Mitgliederversammlung unabhängig von der Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig sei, bei in der Satzung nicht geregelter Form der Einladung zu einer solchen „Anschlussversammlung“, nicht die Voraussetzungen einer satzungsgemäßen Einladung aller Mitglieder, was zur Nichtigkeit des in der „Anschlussversammlung“ gefassten Beschlusses, mit dem der nunmehrige 1. Vorsitzende in den Vorstand gewählt wurde, führt.
3. Gegen die Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht können der neu gewählte 1. Vorsitzende und der Geschäftsführer – unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des auf der „Anschlussversammlung“ gefassten Beschlusses – wirksam Rechtsmittel einlegen.

BGB §§ 21, 22 (Kindertagesstätte als Verein) Brandenbg. OLG, Beschluss vom 23.6.2015, 7 W 23/15

Ein im Wesentlichen durch Eltern getragener Verein, der darauf gerichtet ist, eine Kindertagesstätte zu errichten und zu betreiben, um hierdurch einen Beitrag zur Erziehung und Förderung der Kinder zu leisten, ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet.

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
Brüssel I-VO a. F. Art. 34 Nr. 1 (Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils) BGH, Beschluss vom 10.9.2015, IX ZB 39/13

1. Die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Urteils verstößt gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international, wenn das polnische Gericht, weil der in Deutschland wohnende Beklagte keinen in Polen ansässigen Prozessbevollmächtigten oder Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat, gemäß Art. 1135 § 2 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs die für diese Partei bestimmten gerichtlichen Schriftstücke in der Gerichtsakte belassen und als zugestellt behandelt hat.
2. Die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils verstößt gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international, wenn es keine Begründung enthält und sich auch in Verbindung mit anderen vorgelegten Unterlagen nicht zuverlässig feststellen lässt, welchen Sachverhalt (Streitgegenstand) das Urteil betrifft.

ZPO § 851c; VVG § 167 (Pfändungsschutz bei Lebensversicherung) BGH, Urteil vom 22.7.2015, IV ZR 223/15

1. § 167 VVG schafft kein Gestaltungsrecht, sondern gibt dem Versicherungsnehmer nur einen Anspruch darauf, die Lebensversicherung in eine Versicherung umzuwandeln, welche die Kriterien des § 851c Abs. 1 ZPO erfüllt.
2. Pfändungsschutz nach § 851c ZPO besteht auch bei einem Umwandlungsverlangen eines Versicherungsnehmers gemäß § 167 VVG erst dann, wenn sämtliche der in § 851c ZPO geregelten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 27. August 2009 – VII ZB 89/08, r+s 2009, 472 Rn. 12; vom 25. November 2010 – VII ZB 5/08, VersR 2011, 1287 Rn. 19 [= Rpfleger 2011, 220]).

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
ZVG § 152 Abs. 1, 2 (Mietkaution, Wohnungseigentumsverwalter) BGH, Urteil vom 23.9.2015, VIII ZR 300/14

Hat der Mieter einer Eigentumswohnung die Mietkaution nicht an den Vermieter, sondern an den Verwalter des Wohnungseigentums entrichtet, ist der Zwangsverwalter der Wohnung, dem nach § 152 Abs. 1 ZVG die Aufgabe obliegt, das Objekt in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu verwalten, berechtigt, die Überlassung der Mietkaution direkt von dem Verwalter des Wohnungseigentums zu fordern (Fortführung und Fortentwicklung von BGH, Urteile vom 16. Juli 2003 – VIII ZR 11/03, NJW 2003, 3342 [= Rpfleger 2003, 678]; vom 9. März 2005 – VIII ZR 330/03, NZM 2005, 596 [= Rpfleger 2005, 460]).

ZVG § 83 Nr. 6; ZPO § 727 Abs. 1, § 750 Abs. 2 (Zustellungsmangel, Versagung des Zuschlags wegen fehlender Vollstreckungsgrundlage) LG Detmold, Beschluss vom 24.11.2015, 3 T 199/15

Beruht eine Vollstreckungsklausel auf einer notariellen Bescheinigung nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 BNotO, in der der Notar die verschmelzungsbedingt eingetretene Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite bestätigt, bedarf es nicht zusätzlich der Zustellung eines Handelsregisterauszuges, dessen Inhalt der notariellen Erklärung entspricht (gegen BGH, Beschluss vom 21.11.2013 – V ZB 109/13, Rpfleger 2014, 215 und Beschluss vom 8.11.2012 – V ZB 124/12, Rpfleger 2013, 225).
Mit Anmerkung von: Dipl.-Rechtspfleger Erhard Alff, Hamburg

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht
StPO § 345 Abs. 2 (Formunwirksame Revisionsbegründung) KG, Beschluss vom 8.10.2015, (2) 121 Ss 163/15 (58/15)

1. Nimmt der Geschäftsstellenverwalter des Tatgerichts von einem ersichtlich rechtsunkundigen Angeklagten eine nach § 345 Abs. 2 StPO formbedürftige Erklärung entgegen, so ist er gehalten, dem Angeklagten einen Hinweis auf die Zuständigkeit des Rechtspflegers (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 RPfIG) zur Aufnahme der Revisionsbegründung zu geben.
2. Eine vom Geschäftsstellenverwalter des Tatgerichts kommentarlos entgegengenommene Revisionsbegründung ist unwirksam. Das Versäumnis begründet jedoch regelmäßig einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist.

StGB § 68 a Abs. 1 (Überwachung und Durchführung der Führungsaufsicht) OLG Dresden, Beschluss vom 5.7.2015, 2 Ws 313/15

In § 68 a Abs. 1 StGB ist abschließend geregelt, welche Organe für die Durchführung der Führungsaufsicht verantwortlich und an ihr beteiligt sind. Die Vorschrift regelt den Aufgabenbereich dieser Organe und deren Verhältnis zueinander. Die Staatsanwaltschaft ist danach weder als Vollstreckungs- noch als Ermittlungsbehörde an der Überwachung und Durchführung der Führungsaufsicht beteiligt.

Kostenrecht
RVG VV 2300, 2302 a. F.; BGB § 280 Abs. 2, § 286 (Notwendigkeit der Anwaltsbeauftragung, Höhe der Rahmengebühr) BGH, Urteil vom 17.9.2015, IX ZR 280/14

Gerät der Schuldner in Zahlungsverzug, ist auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich; ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung muss im Regelfall nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden.

PatKostG § 6 Abs. 2 (Beschwerde mehrerer Patentinhaber, mehrere Beschwerdegebühren) BGH, Beschluss vom 18.8.2015, X ZB 3/14

1. Legen mehrere Patentinhaber gegen eine Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts im Einspruchsverfahren Beschwerde ein, hat jeder eine Beschwerdegebühr (Gebührenverzeichnis zum PatKostG Nr. 401 100) zu entrichten.
2. Wird bei einer von mehreren Beteiligten erhobenen Beschwerde nur eine Gebühr gezahlt, ist zu prüfen, ob die entrichtete Gebühr einem der Beschwerdeführer zugeordnet werden kann.

GNotKG § 52 Abs. 5 (Geschäftswertfestsetzung, Eintragung eines Wegerechts) OLG Köln, Beschluss vom 6.7.2015, 2 Wx 152/15

Bei der Festsetzung des Geschäftswertes für die Eintragung eines Wegerechts als Grunddienstbarkeit kann § 52 Abs. 5 GNotKG herangezogen werden.

GNotKG § 45 Abs. 3, § 51 Abs. 1 (Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung, Geschäftswert) OLG München, Beschluss vom 9.7.2015, 34 Wx 136/15

Für die Eintragung einer Vormerkung, die einen unter einer oder mehreren Bedingungen stehenden (ggf. befristeten) Rückübertragungsanspruch sichert (sog. Rückauflassungsvormerkung), ist auch unter Geltung des GNotKG die Hälfte des Grundstückswerts regelmäßig der maßgebliche Wert (Abweichung von OLG Bamberg vom 7.1.2015, 1 W 44/14; Bestätigung von BayObLG vom 21.8.1985, 3 Z 125/85, Leitsatz 1, zu § 20 Abs. 2 KostO).

HRegGebV GV 2502 (Gebühr für Änderung der Geschäftsanschrift) OLG Köln, Beschluss vom 12.8.2015, 2 Wx 195/15

Für die Eintragung einer Änderung der inländischen Geschäftsanschrift einer GmbH – ohne gleichzeitige Sitzverlegung – im Handelsregister fällt die Gebühr nach Nr. 2502 GV zur HRegGebV an.

GNotKG KV 14261 (Gebühr für Vermerk auf Schiffszertifikat) OLG Oldenburg, Beschluss vom 9.9.2015, 12 W 186/15

Wird eine Eintragung im Schiffsregister auf dem Schiffszertifikat vermerkt, fällt die Festgebühr i. H. v. 25,– e gemäß GNotKG KV 14261 an. Dies gilt unabhängig davon, ob auch die dem Vermerk zugrunde liegende Eintragung der Veränderung im Register gebührenpflichtig ist.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum vom 26.11.2015 – 25.12.2015

BGBl. I
Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner vom 20. November 2015, BGBl. I 2015 S. 2010
Sechstes Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 20. November 2015, BGBl. I S. 2017
Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung und kostenrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2015, BGBl. I 2015 S. 2018
Verordnung über das elektronische Schutzschriftenregister (Schutzschriftenregisterverordnung SRV) vom 24. November 2015, BGBl. I 2015 S. 2135
Neufassung des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 30. November 2015, BGBl. I 2015 S. 2146
Bekanntmachung zu § 115 der Zivilprozessordnung (Prozesskostenhilfebekanntmachung 2016 PKHB 2016), BGBl. I 2015 S. 2357
Länderreport
Hessen
Gesetz zur Änderung hessischer Vollzugsgesetze vom 30. November 2015, GVBl. 2015 S. 498
Mecklenburg-Vorpommern
Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetzes vom 11. November 2015, GVBl. 2015 S. 462
Neufassung der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung: BayJMBl. 2015 S.
123; HessJMBl. 2015, 337; JMBl.NRW 2015 S. 399; Justizblatt Rhld.-Pf. 2015 S. 83; Saarl.ABl. II 2015 S. 1316; SächsJMBl. 2015 S. 171

Schrifttumshinweise

Sachen- und Grundbuchrecht

Ott, Die Sondereigentumsfähigkeit von Terrassen, BWNotZ 2015, 130
Schmidt-Räntsch, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Wohnungseigentumsgesetz von Oktober 2014 bis Oktober 2015, ZWE 2015, 429

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Majer, Die Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen, NZFam 2015, 1138
Nickel, UntKostRÄndG Änderungen zum Mindestunterhalt und vereinfachten Verfahren, MDR 2015, 1389
Pasche, Das zuständige Gericht in grenzüberschreitenden Unterhaltssachen, NJW-Spezial 2015, 708
Schneider, N., Abtrennungen im Verbundverfahren, NZFam 2015, 1144
Viefhues, Der Unterhaltsanspruch der unverheirateten Mutter nach § 1615l BGB, (Teil 1), FuR 2015, 686

Erb- und Nachlassrecht

Damm, Testamentsvollstreckung als bindende Verfügung, BWNotZ 2015, 135
Fetsch, Die Rechtswahlfiktion in Art. 83 Abs. 4 EuErbVO: Alte Testamente und neues Recht bei Erbscheinsanträgen und Ausschlagungserklärungen, RNotZ 2015, 626

Handels- und Registerrecht

Baumann/Selzener, Vorsorge für den geschäftsunfähigen Personengesellschafter, RNotZ 2015, 605
Priester, Formwechsel von GmbH in GbR: registergerichtliche Behandlung, GmbHR 2015, 1289
Röder, Reformüberlegungen zum Recht der GbR; AcP Bd. 215 S.450
Roemer, Die Hoferklärung in der notariellen Praxis, RNotZ 2015, 556
Schindeldecker, Insichgeschäfte im Gesellschaftsrecht Anwendungsfälle und praktische Lösungen für die notarielle Praxis, RNotZ 2015, 533
Wagner, Die Entwicklungen im Vereinsrecht, NZG 2015, 1377

Prozesskosten- und Beratungshilfe

Hansens, Die Crux mit dem Forderungsübergang auf die Landeskasse, RVGreport 2015, 4

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Bacher, Das elektronische Schutzschriftenregister, MDR 2015, 1329
Goldbach, Zwangsvollstreckung nach dem Tod des Schuldners, KKZ 2015, 229
Lackmann, Zur Beschwerdebefugnis des Gerichtsvollziehers, DGVZ 2015, 242
Schwab, Personenname und Recht, StAZ 2015, 354

Insolvenzrecht

Ahrens, Der vertrackte Umgang mit § 287a InsO, NJW-Spezial 2015, 725
Haarmeyer/Mock, Zur Struktur der Vergütung des Sachwalters, ZInsO 2016, 1
Lissner, Insolvenzrechtliche Vergütung: Die Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters, AGS 2015, 497
Stiller, Absetzung von Reisekosten eines beauftragten Rechtsanwalts von der Insolvenzverwaltervergütung bei Prozessführung an einem auswärtigen Gericht? ZInsO 2016, 28
Zimmer, Vergütung des Insolvenzverwalters für Hausverwaltung und „kalte“ Zwangsverwaltung, Insbüro 2015, 510

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht

Burhoff, Anwaltsvergütung für Tätigkeiten im sog. Klageerzwingungsverfahren, RVGreport 2016, 2
Habetha, Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen im Strafprozess, NJW 2015, 3627

Kostenrecht

Hansens, Probleme bei der Rückfestsetzung, RVGreport 2015, 446
Reisert, Die Berliner Praxis zur Einschränkung der Erstattungsfähigkeit von Scans und Kopien, BerlAnwBl. 2015, 398
Schneider, N., Vergleichswert nach vorangegangener Teilregulierung, NJW-Spezial 2015, 731
Schneider, N., Verfahrens- und Gegenstandswerte in Ehewohnungssachen, FF 2015, 478
Volpert, Die Aktenversendungspauschale: Entstehung und Geltendmachung, RVGreport 2015, 442

Buchbesprechungen

RPflG. Kommentar zum Rechtspflegergesetz.
Begründet von Egon Arnold (†), fortgeführt von Klaus Meyer-Stolte, Klaus Rellermeyer, Udo Hintzen und Manfred Georg. 8. völlig neu bearbeitete Auflage 2015. Gieseking Verlag Bielefeld, LIV, 861 S., geb., 124,– Euro, ISBN 978-3-7694-1130-0. Prof. Dr. Martin Schöpflin LL. M., Rektor der Norddeutschen Hochschule für Rechtspflege Hildesheim
Insolvenzrechts-Handbuch.
Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Peter Gottwald. 5. Aufl. 2015. Verlag C. H. Beck, München. LXXI, S. 2942. 229,– Euro, ISBN 978-3-406-65236-3 Dipl. Rpfl. Ernst Riedel, Starnberg
von Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger : Die Kostenfestsetzung.
andbuch, 22. Auflage 2015. Wolters Kluwer Deutschland GmbH (Luchterhand). 544 Seiten, Hardcover 148,– Euro. ISBN 978-3-472-08900-1 Dipl.-Rechtspflegerin Renate Baronin von König, Berlin

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