Heft 1 / 2016 (Januar 2016)

Abhandlungen

Steffen Kögel:
Vereinheitlichungsbestrebungen im europäischen Gesellschaftsrecht – die zentrale Herausforderung für das Handelsregister der Zukunft – 1

I. Einführung
II. Ein neuer Anlauf: Die SUP
III. Adressaten des Handelsregisters
IV. Der Gründungsaufwand bei der deutschen GmbH – zu viel des Guten?
V. Das Handelsregister neu denken?
1. Beglaubigungs- und Beurkundungsregeln
2. Umfang der staatlichen Kontrolle im Rahmen des Eintragungsverfahrens
3. Informationsgehalt des Handelsregisters
VI. Auswirkungen auf die Arbeit der Registergerichte
VII. Zusammenfassung

Dipl.-Rpfl. (FH) Maik Schlaak
Gerichtskostenanfall bei der Kontrollbetreuung nach dem 2. Kostenrechtsreformgesetz 7

1. Allgemeines
2. Gerichtskostenrechtliche Abwicklung der Kontrollbetreuung
a) Anordnung einer Kontrollbetreuung
b) Aufgabenkreis
c) Der Gebührenansatz

Dipl.-Rechtspfleger Hagen Schneider
Kostenrechtliche Änderung in Grundbuchsachen aufgrund des Gesetzes zum Internationalen Erbrecht 9

I. Eintragung desselben Eigentümers bei verschiedenen Grundstücken
II. Eintragung mehrerer Veränderungen desselben Rechts
III. Vormerkungen, die bei mehreren Grundstücken eingetragen sind
1. Eintragung mehrerer Vormerkungen
2. Löschung mehrerer Vormerkungen
IV. Veränderungen von Gesamtrechten
1. Gebührenrechtliche Unterscheidung
2.Grundbücher werden bei demselben Grundbuchamt geführt
3. Grundbücher werden bei verschiedenen Grundbuchämtern geführt
V. Gebühren bei den Schiffs- und Schiffsbauregistern
1. Gesamthandsgemeinschaften
2. Eintragung desselben Eigentümers und Eintragung, Löschung und Veränderung desselben Rechts bei mehreren Schiffen
3. Vormerkungen
4. Veränderung von Gesamtrechten
VI. Inkrafttreten und Übergangsregelungen

Rechtsprechung

Sachen- und Grundbuchrecht
VerkFlBerG § 9 Abs. 1 Satz 4, § 8, § 3 (Erlöschen des Besitzrechts) BGH, Urteil vom 17.7.2015, V ZR 207/14

Das Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG erlischt, wenn der öffentliche Nutzer seine Rechte nicht bis zum 30. Juni 2007 ausgeübt hat und der Grundstückseigentümer eine Bereinigung der Rechtsverhältnisse im Sinne von § 3 VerkFlBerG ablehnt.

BGB §§ 398, 413, 899a, 2033 Abs. 1; GBO §§ 19, 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1, § 47 Abs. 2 (Eintragung des Gesellschafterwechsels im Wege der Grundbuchberichtigung) OLG München, Beschluss vom 28.7.2015, 34 Wx 106/15

1. Sind die Anteile des Erblassers an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgrund einer im Gesellschaftsvertrag enthaltenen einfachen erbrechtlichen Nachfolgeklausel durch Singularsukzession auf dessen Erben übergegangen, haben sich aber die Erben über den Nachlass bereits vollständig auseinandergesetzt, so geht eine in diesem Stadium vereinbarte Erbanteilsübertragung in dinglicher Hinsicht ins Leere; sie bewirkt insbesondere keinen Übergang der Gesellschaftsanteile der übertragenden Miterben auf den übernehmenden Miterben.
2. Die Eintragung eines Gesellschafterwechsels im Wege der Grundbuchberichtigung setzt bei rechtsgeschäftlicher Anteilsübertragung die Berichtigungsbewilligung nicht nur des übertragenden und des übernehmenden Teils, sondern auch aller übrigen Mitgesellschafter – alternativ den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit – voraus. Nichts anderes gilt, wenn die Übertragung unter Mitgesellschaftern stattfindet (a. A. KG vom 30.4.2015, 1 W 466/15 = MDR 2015, 719).
3. Kommt es im Berichtigungsverfahren für den Nachweis der Unrichtigkeit auf den Inhalt des in privatschriftlicher Form vorliegenden Gesellschaftsvertrags an, kann es notwendig sein, die unveränderte Fortgeltung desselben durch übereinstimmende Erklärung der Gesellschafter zu belegen (hier: über 40 Jahre alter Gesellschaftsvertrag eines personalistisch strukturierten Zusammenschlusses von Waldbesitzern).

BGB § 925 Abs. 1; GBO § 20 (Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich) OLG Hamm, Beschluss vom 14.7.2015, I-15 W 136/15

Setzen sich im Grundbuch eingetragene Miterben in einem gerichtlichen Vergleich durch gegenseitige Zuweisung des Eigentums an einer Immobilie auseinander, so reicht die wechselseitig erklärte Zustimmung zur Löschung ihrer Eintragung nicht aus, um im Grundbucheintragungsverfahren den nach § 20 GBO erforderlichen urkundlichen Nachweis der erfolgten Auflassung führen zu können.

GBO §§ 19, 29; BGB §§ 172, 167, 164 (Untervollmacht) KG, Beschluss vom 14.7.2015, 1 W 688-689/15

1. Erteilt ein Unterbevollmächtigter unmittelbar im Namen des Geschäftsherrn eine Eintragungsbewilligung, ist gegenüber dem Grundbuchamt der Fortbestand von Untervollmacht und Hauptvollmacht nachzuweisen. Dabei kommt es bei der Untervollmacht auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Bewilligung und bei der Hauptvollmacht auf den Zeitpunkt der Erteilung der Untervollmacht an.
2. Der Fortbestand der Untervollmacht ist durch Vorlage der Urschrift, einer Ausfertigung oder der notariellen Bescheinigung, dass Urschrift oder Ausfertigung bei Abgabe der Bewilligung vorlagen, nachzuweisen. Hinsichtlich der Hauptvollmacht genügt eine beglaubigte Abschrift, wenn die Untervollmacht nicht vom Bestand der Hauptvollmacht abhängt und der die Untervollmacht beurkundende Notar bescheinigt, dass die Urschrift oder eine Ausfertigung der Hauptvollmacht vorlag.

BGB §§ 181, 1795 Abs. 2, § 1899 Abs. 4, § 1908 i Abs. 1, §§ 2033, 2042 (Auflassung von Grundbesitz, Bestellung eines Ergänzungsbetreuers) OLG München, Beschluss vom 17.7.2015, 34 Wx 179/15

Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bei Auflassung von Grundbesitz im Rahmen einer Erbauseinandersetzung, wenn Betreuer und Betreuter Mitglieder der Erbengemeinschaft sind.

BGB §§ 93, 94; WEG § 1 Abs. 4, §§ 3, 8 (Begründung von Wohnungseigentum, überhängender Überbau) KG, Beschluss vom 23.7.2015, 1 W 759/15

Ein sogenannter überhängender Überbau hindert nicht die Begründung von Wohnungseigentum.

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
BGB § 1896 Abs. 3 (Kontrollbetreuung) BGH, Beschluss vom 23.9.2015, XII ZB 624/14

Zu den Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung und der Übertragung des Aufgabenkreises des Widerrufs einer Vorsorgevollmacht.

BGB § 1896; FamFG § 303 Abs. 4 (Widerruf der Vorsorgevollmacht durch Betreuer) BGH, Beschluss vom 28.7.2015, XII ZB 674/14

1. Der Betreuer kann eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist (Abgrenzung zu den Senatsbeschlüssen vom 13. November 2013 – XII ZB 339/13 – FamRZ 2014, 192 und vom 1. August 2012 – XII ZB 438/11 – FamRZ 2012, 1631 [= Rpfleger 2013, 24]).
2. Dieser Aufgabenkreis darf einem Betreuer nur dann übertragen werden, wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen.
3. Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 15. April 2015 – XII ZB 330/14 – FamRZ 2015, 1015 [= Rpfleger 2015, 537] und vom 5. November 2014 – XII ZB 117/14 – FamRZ 2015, 249 [= Rpfleger 2015, 200]).

BGB § 1906 Abs. 4 (Genehmigte Unterbringung, betreuungsgerichtliche Genehmigung) BGH, Beschluss vom 28.7.2015, XII ZB 44/15

1. Auch im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB bedarf es der gesonderten betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1906 Abs. 4 BGB, wenn dem Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. September 2012 – XII ZB 543/11 – FamRZ 2012, 1866 [= Rpfleger 2013, 26]).
2. Ohne ausdrücklichen Antrag des Betreuers kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme nur genehmigt werden, wenn sich aus dem Verhalten des Betreuers ergibt, dass er die Genehmigung wünscht.

VBVG § 6 Satz 1; BGB § 1899 Abs. 4 (Betreuervergütung nach konkretem Zeitaufwand) BGH, Beschluss vom 8.7.2015, XII ZB 494/14

Wird ein Betreuer neben einem Bevollmächtigten bestellt, weil dieser an einer Verrichtung bestimmter Tätigkeiten rechtlich verhindert ist, ist die Vergütung des Betreuers in entsprechender Anwendung des § 6 Satz 1 VBVG nach konkretem Zeitaufwand zu bemessen.

BGB §§ 242, 1908 d; VBVG § 5; FamFG § 168 (Vergütungsanspruch des Betreuers) BGH, Beschluss vom 28.7.2015, XII ZB 508/14

1. Der Vergütungsanspruch des Betreuers endet erst mit der gerichtlichen Aufhebung der Betreuung nach § 1908 d BGB, es sei denn, das Ende der Betreuung steht bereits durch den Tod des Betreuten oder aufgrund eines entsprechenden Fristablaufs fest (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. August 2014 – XII ZB 479/12 – FamRZ 2014, 1778 [= Rpfleger 2014, 673]).
2. Hat der Kontrollbetreuer nach Widerruf der Vorsorgevollmacht dem Gericht mitgeteilt, dass die Betreuung aus seiner Sicht beendet sei, und ihm zugleich seinen Betreuerausweis sowie einen sich bis zu diesem Zeitpunkt erstreckenden Vergütungsantrag übersandt, steht dem Vergütungsanspruch für die Folgezeit bis zur gerichtlichen Aufhebung der Betreuung, in der der Kontrollbetreuer keine Tätigkeit mehr für den Betreuten erbracht hat, der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen.

Erb- und Nachlassrecht
BGB §§ 2084, 2265, 2353 (Gemeinschaftliches Testament ohne Schlusserben) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.7.2015, I-3 Wx 193/14

Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament einander gegenseitig zu Erben eingesetzt, ohne einen Schlusserben zu bestimmen, was regelmäßig dafür spricht, dass der Überlebende über das Gesamtvermögen auch von Todes wegen frei sollte verfügen können, so kann die Anordnung „Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt . . .“ auch den Fall erfassen, dass der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (hier wurden die Eheleute in ihrer Wohnung gemeinsam tot aufgefunden und ist die an Demenz leidende Ehefrau wenige Tage nach ihrem Ehemann verstorben, weil sie sich nicht selbst versorgen konnte).

BGB §§ 2249, 2250 (Niederschrift eines Nottestaments) OLG München, Beschluss vom 12.5.2015, 31 Wx 81/15

Die Niederschrift eines Nottestaments ist auch dann wirksam errichtet, wenn die von dem Erblasser allein unterschriebene und genehmigte Erklärung zusammen mit der auf einem gesonderten Blatt von einem Testamentszeugen niedergelegten und von diesem unterschriebenen Erklärung eine einheitliche Urkunde bildet.

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
GmbHG § 39 Abs. 1 (Abberufung eines nicht voreingetragenen Geschäftsführers) OLG Köln, Beschluss vom 3.6.2015, 2 Wx 117/15

1. Auch die Abberufung eines nicht voreingetragenen Geschäftsführers ist eine anmeldepflichtige Änderung im Sinne des § 39 Abs. 1 GmbHG.
2. Mit der entsprechenden Eintragung im Handelsregister wird nicht zugleich verlautbart, dass der Abberufene zuvor Geschäftsführer gewesen sei.

BGB § 32 (Frist für Einberufung der Mitgliederversammlung) OLG München, Beschluss vom 11.5.2015, 31 Wx 123/15

Bestimmt die Satzung eines Vereins ohne nähere Angaben eine Frist für die Einberufung der Mitgliederversammlung, beginnt diese regelmäßig mit dem Zeitpunkt, zu dem bei normaler postalischer Beförderung mit dem Zugang bei allen Mitgliedern zu rechnen ist.

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
ZPO § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 (Formwirksamer Vergleich) BGH, Urteil vom 14.7.2015, VI ZR 326/14

Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO kann nur durch Annahme des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts mit Schriftsatz der Parteien wirksam geschlossen werden.

ZPO §§ 850 c, 850 k; BGB § 1603; StVollzG §§ 41, 43, 47, 51; JVollzGB BW III §§ 47, 49, 52, 53, 54 (Unterhaltspfändung, Arbeitsentgelt eines Strafgefangenen) BGH, Beschluss vom 1.7.2015, XII ZB 240/14

a) Von dem Arbeitsentgelt, das ein im Vollzug arbeitender Strafgefangener erhält, steht für Unterhaltszwecke regelmäßig nur das Eigengeld zur Verfügung.
b) Für die Bemessung des dem Strafgefangenen gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern zu belassenden Selbstbehalts bietet sich der Rückgriff auf den ihm zustehenden Taschengeldsatz an. Bei einem im Vollzug arbeitenden Strafgefangenen ist in der Regel davon auszugehen, dass der so bestimmte Selbstbehalt durch Belassen des Hausgelds gedeckt ist.
c) Auf das Eigengeld, das aus dem Arbeitsentgelt des im Vollzug arbeitenden Strafgefangenen gebildet wird, finden die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 c, 850 k ZPO keine Anwendung.

Insolvenzrecht
InsO §§ 4a, 207 (Stundung der Verfahrenskosten) BGH, Beschluss vom 9.7.2015, IX ZB 68/14

Wird ein Insolvenzverfahren auf einen Gläubigerantrag eröffnet, kann der Schuldner rückwirkend die Stundung der im Eröffnungsverfahren angefallenen Verfahrenskosten beantragen, wenn er durch das Insolvenzgericht nicht rechtzeitig über die Notwendigkeit eines Eigenantrags verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung belehrt worden ist (Ergänzung zu BGHZ 162, 181).

InsO §§ 207, § 287a Abs. 2, § 290 Abs. 1 Nr. 7 (Erneutes Insolvenzverfahren mit RSB) AG Göttingen, Beschluss vom 14.10.2015, 74 IN 181/15

1. Die frühere Sperrfristrechtsprechung des BGH ist in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren überholt.
2. Die Vorwirkung von Versagungsgründen ist nicht bei der Zulässigkeitsprüfung eines Restschuldbefreiungsantrages gem. § 287a InsO zu berücksichtigen, sondern – wie bisher – nur bei der Entscheidung über den Stundungsantrag gem. § 4a InsO.
3. Eine Versagung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO erfordert eine konkret messbare Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung. Allein die Verbüßung einer Strafhaft genügt nicht, zumal die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO nicht gelten und häufig Eigengeld pfändbar ist.
4. Deliktische Forderungen stehen der Stundung der Verfahrenskosten nicht entgegen.
5. Stundung gem. § 4c InsO ist zu bewilligen, wenn die Verfahrenskosten nicht durch eine Einmalzahlung gedeckt sind.

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht
StGB § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 8, 9, 11 (Führungsaufsicht) OLG Dresden, Beschluss vom 5.6.2015, 2 Ws 248/15

1. Die Weisung an den Probanden, seinen Wohnsitz unter einer bestimmten Anschrift zu nehmen, wird durch § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nicht gedeckt. Diese Vorschrift ermöglicht nur eine Mobilitätsbeschränkung, nicht hingegen die Zuweisung eines bestimmten Wohnortes gegen den Willen des Verurteilten. Auch findet sie – nicht zuletzt wegen der mit ihr einhergehenden, gesetzlich problematischen Belastung Dritter [z. B. Vermieter] und (daraus folgend) mit § 68 b Abs. 3 StGB für den Verurteilten – keine Rechtsgrundlage in § 68 b Abs. 2 Satz 1 StGB.
2. Die Anordnung, etwaige Wohnsitzwechsel nur nach Rücksprache mit dem Bewährungshelfer vornehmen zu dürfen, ist gesetzeswidrig. § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB ist hierfür als Rechtsgrundlage ungeeignet. Diese Vorschrift ermöglicht nur eine Meldeverpflichtung. Ein darüber hinausgehendes Mitsprache- oder gar -bestimmungsrecht des Bewährungshelfers bei der Wahl des Wohnsitzes ist nicht gedeckt.
3. Die Weisung, sich „umgehend und im Einvernehmen mit der Bewährungshilfe um einen festen Arbeitsplatz zu bemühen“ findet vor dem Hintergrund, dass Art. 12 Abs. 1 GG zwar das Recht verleiht, nicht aber die Pflicht begründet, einen Arbeitsplatz zu wählen (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 und 3 GG), in § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 StGB keine Rechtsgrundlage. Danach kann ein Verurteilter nur angewiesen werden, sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden.
4. Die Verpflichtung, „sich zur Aufarbeitung und Behandlung seiner Persönlichkeitsstörung nach Anweisung und Empfehlung der behandelnden Ärzte und Psychologen in ambulante psychiatrische, psychotherapeutische und/oder psychologische Therapie zu begeben und den Anweisungen, insbesondere den Terminsvorgaben der Behandler Folge zu leisten,“ wird weder durch § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB gedeckt, noch ist sie geeignet, die Blanketbestimmung des § 145 a StGB in rechtsstaatlich hinreichender Weise auszufüllen. Auch steht die Entscheidung darüber, ob eine (die Therapiewilligkeit voraussetzende) Therapie fortzudauern hat, unter dem Richtervorbehalt. Sie kann nicht dem Ermessen eines (noch dazu unbenannten) Therapeuten überlassen bleiben.

RVG § 51 (Bewilligung einer Pauschgebühr) KG, Beschluss vom 15.4.2015, 1 ARs 22/14

Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt der Lauf der Verjährungsfrist (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

Kostenrecht
GNotKG KV 14160 Ziff. 5; WEG § 12; BGB § 1010 (Änderung der Teilungserklärung, Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung) OLG München, Beschluss vom 17.7.2015, 34 Wx 137/15

1. Eine kraft Vereinbarung oder einseitiger Erklärung des teilenden Eigentümers geltende Veräußerungsbeschränkung gestaltet als Inhalt des Sondereigentums das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und stellt keine Belastung des Miteigentumsanteils dar.
2. Die Aufhebung der Veräußerungsbeschränkung bewirkt demzufolge eine Änderung des Inhalts des Sondereigentums, deren Eintragung im Grundbuch den Gebührentatbestand des GNotKG KV 14160 Ziff. 5 verwirklicht.
3. Zu erheben ist die Festgebühr für jedes betroffene Sondereigentum; betroffen im Sinne der Kostenvorschrift ist jedes Sondereigentum, bei dem das Grundbuchamt auf entsprechenden Antrag die Aufhebung der Veräußerungsbeschränkung einträgt.

ZPO §§ 91, 269; RVG VV 3104, Vorbem. 3 Abs. 3 (Terminsgebühr für anwaltliche Besprechung, Klagerücknahme) OLG Koblenz, Beschluss vom 3.7.2015, 14 W 415/15

1. Ein auf die Klagerücknahme zielender Anruf des Beklagtenvertreters beim Prozessbevollmächtigten des Klägers kann in eine auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung münden und damit die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 RVG VV auslösen.
2. Bleibt der Inhalt des Telefongesprächs streitig, geht das zu Lasten desjenigen, der den gebührenrelevanten Sachverhalt behauptet, sofern keine äquipollente Sachdarstellung vorliegt (hier verneint).

ZPO § 788 Abs. 1 Satz 3 (Kosten, Gesamtschuldnerhaftung) LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10.6.2015, 2-09 T 162/15

Wer gesamtschuldnerisch zur Räumung einer Wohnung verurteilt worden ist, haftet gemäß § 788 Abs. 1 S. 3 ZPO auch dann für die Kosten der Zwangsvollstreckung (hier: der Räumung) als Gesamtschuldner, wenn er vor Beginn der Räumung aus der Wohnung ausgezogen ist.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum vom 26.10.2015 – 25.11.2015

BGBl. II
Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 24. September 2015 , BGBl. II 2015 Seite 1219

Schrifttumshinweise

Rechtspflegerrecht

Georg, Bereichsrechtspfleger oder Laufbahnteilung, ein Zukunftsmodell? RpflStud. 2015, 160
Pannen, Rechtsdidaktik aktuelle Entwicklungen und Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung der Lehre in Rechtspflegerstudiengängen, RpflStud. 2015, 165

Sachen- und Grundbuchrecht

Barchewitz, Die (häufig lästige) verdeckte Eigentümergrundschuld, MDR 2015, 1273
Böhringer, Rechtseinheit trotz liegenschaftsrechtlicher Besonderheiten, NotBZ 2015, 401
Scheuch, Die Grundbucheintragung von BGB-Gesellschaftern als Basis für eine allgemeine Rechtsscheinhaftung, ZfIR 2015, 825
Vollmer, Zur Gehörsgewähr durch das Grundbuchamt, MittBayNot 2015, 535

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Bienwald, Zur Unbetreubarkeit einer/eines Betreuten, RpflStud. 2015, 157
Vogel, Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge bzw. der Alleinsorge auf den nicht sorgeberechtigten nichtehelichen Vater. Erste Erfahrungen in materiell-rechtlicher Hinsicht, (1), FamRB 2015, 434

Erb- und Nachlassrecht

Hartmann, Die Anwendung der §§ 1956, 1957 BGB in den Fällen der doppelten Berufung zur Erbfolge, RNotZ 2015, 486
Nöll, Nachlassverwaltung vs. Nachlasspflegschaft: das bessere Verfahren bei Erbausschlagung und Erbprätendentenstreit, ZEV 2015, 612
Zimmermann, Kritische Anmerkungen zur EuErbVO, RpflStud. 2015, 149
Zimmermann, Darf ein Europäisches Nachlasszeugnis nur in unstreitigen Fällen ausgestellt werden? ZErb 2015, 342

Handels- und Registerrecht

Hoger, Offene Rechtsfragen zur Eintragung der inländischen Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland, NZG 2015, 1219

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Metz, Das Haftbefehlsverfahren in der Zwangsvollstreckung, NJW 2015, 3340

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

Stresemann, Das Vorrecht für Hausgelder in § 10 ZVG, RpflStud. 2015, 154
Traub, Die Vertreterbestellung für unbekannte Berechtigte gemäß § 135 ZVG, ZfIR 2015, 823

Insolvenzrecht

Bitter, Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters bei besitzlosen Rechten und bei einer (Doppel-)Treuhand am Sicherungsgut, ZIP 2015, 2249
Blankenburg, Restschuldbefreiung durch Teilinsolvenzplan eine problematische und riskante Alternative zu § 300 InsO, ZInsO 2015, 2211
Blankenburg, Vorwirkung von Restschuldversagungsgründen gem. § 287a InsO, ZInsO 2015, 2258
Blankenburg, Amtswegige vorzeitige Restschuldbefreiung bei Verfahrenskostenstundung, ZVI 2015, 268
Kramme, Der Verzicht auf die Restschuldbefreiung Grenzen der Privatautonomie, ZInsO 2015, 2206
Lissner, Insolvenzrecht meets Steuerrecht eine inkompatible Vereinigung ? Übersichtsbeitrag über typische Problemfelder und über Insolvenzsteuerrecht für die gerichtliche Praxis, ZInsO 2015, 2312
Müller/Rautmann, Die Antragsberechtigung des Massegläubigers, ZInsO 2015, 2365
Reck/Schmittmann, Die Berechnungsgrundlage der Vergütung und der pagatorische Zahlungsbegriff, ZInsO 20015, 254
Willmer/Berner, Die Änderung von Insolvenztabelle und Schlussverzeichnis, NZI 2015, 877

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht

Burhoff, Besonderheiten der Vergütung des Pflichtverteidigers/-beistands im Strafverfahren, RVGreport 2015, 406
Kotz, Aus der Rechtsprechung zur Vergütung des in Straf- und Bußgeldsachen tätigen Rechtsanwalts 2014, NStZ-RR 2015, 329

Kostenrecht

Enders, Berechnungsgrundlage für die Pauschale der Nr.7002 VV RVG bei Anrechnung der Gebühren, JurBüro 2015, 505
Enders, Mehrvergleich und Prozesskostenhilfe außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG, JurBüro 2015, 561
Hansens, Der Ausschluss der Kostenerstattung im Arbeitsgerichtsverfahren, RVGreport 2015, 401
Schmidt, Kosten im Zusammenhang mit der Liquidation einer GmbH, JurBüro 2015, 565
Schneider, H., Kostenberechnung bei abweichender Kostenentscheidung nach §150 Abs.4 FamFG, FamRB 2015, 439
Schneider, N., Bewertungszeitpunkt für den Verfahrenswert NZFam 2015,955
Schneider, N., Nochmals: Beiordnung für Mehrwertvergleich, NZFam 2015, 1052
Seggewiße/Weber, Die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger: Verfahrensrechtliche Besonderheiten, DS 2015, 264
Wedel, Gesetzesauslegung der Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG nach neuem Auslegungsmodell, JurBüro 2015, 510

Buchbesprechungen

Meikel: Grundbuchordnung. Kommentar
11. Auflage, 2015. Carl Heymanns Verlag Köln. 2820 Seiten, geb. inkl. Onlineausgabe, 259,– Euro. ISBN 978-3-452-27590-5 Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Werner Sternal, Köln
WEG-Kommentar.
Hrsg. RiAG Dr. Olaf Riecke und weiland RiBayObLG Dr. Michael Schmid. Luchterhand Verlag, 2015. 4. Auflage. 1668 Seiten, geb. 129,– Euro inkl. Onlineausgabe Rechtsanwalt Erich J. Bellgardt, Wachtberg
Riedel/Sußbauer: Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Begründet von Fritz Riedel und Heinrich Sußbauer. Bearbeitet von Sabine Ahlmann, Dr. Bruno Kremer, Elke Pankatz, Hans Gerhard Potthoff, Hagen Schneider und Ferdinand Schütz. 10. völlig neubearbeitete Auflage, 2015. Verlag Franz Vahlen, München. XX, S. 1221, 149,– Euro, ISBN 978-3-8006-3766-9. Dipl.-Rechtspfleger Heinrich Hellstab, Berlin

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