Heft 10/2024 (Oktober 2024)
Anwendung der Datenschutzgrundverordnung nach Beendigung der Betreuung
EuGH, Urteil v. 11.7.2024, C-461/22
1. Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DSGVO kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die von einer natürlichen Person berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit des Betreuers vom Anwendungsbereich der DSGVO ausschließt. Der Umstand, dass der Betreuer aus dem persönlichen Umfeld der unter seine Betreuung gestellten Person ausgewählt wurde, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen.
2. Art. 4 Nr. 7 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen ist, dass ein ehemaliger Betreuer, der seine Aufgaben in Bezug auf eine unter seine Betreuung gestellte Person berufsmäßig wahrgenommen hat, als im Sinne dieser Bestimmung „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung der diese Person betreffenden personenbezogenen Daten, die sich in seinem Besitz befinden, einzustufen ist, sowie dahin, dass eine solche Verarbeitung alle Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere Art. 15 DSGVO, beachten muss.
Vorrang der Nachlasspflegervergütung
BGH, Beschluss v. 24.7.2024, IV ZB 8/23
Bei einem teilmittellosen Nachlass sind die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens (Nr. 12311 f. KV GNotKG) und die Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers (§ 1888 Abs. 2 Satz 2 BGB) nicht gleichrangig nach dem Verhältnis ihrer Beträge aus dem Nachlass zu befriedigen. Vielmehr kommt der Vergütung des Nachlasspflegers der Vorrang zu.
Teilungsversteigerung, manipulatives Bieterverhalten, Zuschlagsversagung
BGH, Beschluss v. 18.7.2024, V ZB 43/23
Bei falschen oder die wahre Sachlage verzerrenden Erklärungen eines Miteigentümers im Teilungsversteigerungstermin, die in der tatrichterlichen Gesamtschau der protokollierten Vorgänge die
Annahme rechtfertigen, dass Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden sollen, damit der Miteigentümer das Grundstück selbst günstig ersteigern kann, kann die Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung verstoßen. Der Zuschlag ist nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieses Verhalten nachteilig auf die Abgabe von Geboten ausgewirkt hat.
Wohnungsrecht, Wegzugsklausel
OLG München, Beschluss v. 30.7.2024, 34 Wx 134/24 e
1. Ein Wohnungsrecht kann unter der auflösenden Bedingung, dass der Berechtigte das Anwesen auf Dauer verlässt, bestellt werden (sog. Wegzugsklausel).
2. Der Nachweis, dass das Grundbuch infolge des Wegzugs des Berechtigten i.S. des § 22 Abs. 1 GBO unrichtig geworden ist, kann durch die Vorlage einer Meldebescheinigung gem. § 18 Abs. 2 BMG nicht geführt werden.
3. Es steht den Beteiligten frei, vertraglich erleichterte Löschungsvoraussetzungen zu vereinbaren.
Vollmachtserteilung durch GbR-Gesellschafter, Vertretungsmacht eines Bevollmächtigten
KG, Beschluss v. 4.7.2024, 1 W 97/24
Einzelne (ebenso alle) Gesellschafter einer eGbR können Vollmacht, für sie in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter zu handeln und die Zustimmungserklärung nach Art. 229 § 21 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 EGBGB i.V.m. § 22 Abs. 2 GBO als Untervertreter für die Gesellschaft abzugeben, bereits vor Eintragung der Gesellschaft in das Gesellschaftsregister erteilen. Gibt der so Bevollmächtigte die Zustimmungserklärung nach der Registereintragung ab, ist die Vertretungsberechtigung der Vollmachtgeber für den Zeitpunkt der Erklärungsabgabe gem. § 32 GBO nachzuweisen.
Telefonische Verpflichtung, Corona
(mit Anm. Bestelmeyer)
OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 27.6.2024, 7 WF 74/23
1. Die Verpflichtung mittels Handschlags bei persönlicher Anwesenheit des zu bestallenden Vormundes gem. § 1789 Satz 2 BGB a. F. ist kein unverzichtbares Element für die wirksame, eine Vergütungspflicht auslösende Bestallung des Vormunds.
2. Die Bestallung ist auch ohne Handschlag wirksam, wenn im Übrigen das Bestallungsverfahren ordnungsgemäß – einschließlich der geeigneten Unterrichtung über die Pflichten eines Vormunds und die Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Vormundschaft – durchgeführt worden ist, § 1789 Satz 1 BGB.
Ladung, Mitgliederversammlung
OLG Düsseldorf, Beschluss v. 8.7.2024, 3 Wx 69/24
1. Eine Satzungsbestimmung, die vorsieht, dass zu einer Mitgliederversammlung auf elektronischem Weg eingeladen wird und im Falle des Widerspruchs und der vollständigen Angabe der Postanschrift die Übersendung einer schriftlichen Einladung vorsieht, ist zulässig.
2. Zulässig ist ebenso eine Satzungsregelung, wonach virtuelle oder hybride Mitgliederversammlungen per Video oder Telefonkonferenz stattfinden.
Teilungsversteigerung einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts (mit Anm. Hintzen)
LG Berlin II, Beschluss v. 12.8.2024, 80 T 176/24
1. Eine Teilungsversteigerung zur Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die bereits vor dem 1.1.2024 begonnen hat, wird auch nach dem 1.1.2024 nach den bis zum 31.12.2023 geltenden gesetzlichen Regeln fortgeführt.
2. Bei dem Tod eines Gesellschafters handelt es sich um die „maßgebliche Handlung“ im Sinne der lex temporis actus. Da diese bereits vor dem Inkrafttreten des MoPeG abgeschlossen war und das Abwicklungsstadium der Gesellschaft nach altem Recht bereits begonnen hatte, bleibt das alte Recht und somit auch
§ 731 BGB a. F. anwendbar.
Hinweis auf Zahlungserleichterungen
LG Meiningen, Beschluss v. 2.5.2024, 4 StVK 96/24 830 Js 17116/22, 4 StVK 345/24 150 Js 19561/23
1. Nach § 459e Abs. 2 Satz 2 StPO ist der Verurteilte vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe darauf hinzuweisen, dass ihm gem. § 459a Zahlungserleichterungen bewilligt werden können und ihm gemäß Rechtsverordnung nach Art. 293 EGStGB oder sonst landesrechtlich gestattet werden kann, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden.
2. Die Erteilung des Hinweises nach § 459e Abs. 2 Satz 2 StPO ist eine zwingende Voraussetzung für die Vollstreckungsanordnung; unterbleibt der Hinweis, ist die Anordnung unzulässig.