Heft 7/2023 (Juli 2023)

Ausschluss zur Geltendmachung des Aufwendungsersatzes eines anwaltl. Verfahrenspflegers

BGH, Beschluss vom 1.2.2023, XII ZB 104/22

1. Der Anspruch des anwaltlichen Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergütung als Aufwendungsersatz für seine anwaltsspezifischen Dienste erlischt nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F., wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend
gemacht wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27.6.2012 ­ – XII ZB 685/11 –­ FamRZ 2012, 1377).

2. Die Ausschlussfrist zur Geltendmachung dieses Aufwendungsersatzes beginnt mit der Fälligkeit der Rechtsanwaltsvergütung nach § 8 RVG.

 

Betreuung, Erforderlichkeitsgrundsatz, Betreuungsbedürftigkeit

BGH, Beschluss vom 19.4.2023, XII ZB 462/22

1. Die Erforderlichkeit einer Betreuung kann sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit). Nach § 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB darf ein Aufgabenbereich nur
angeordnet werden, wenn und soweit dessen rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist (Fortführung
der Senatsbeschlüsse vom 30.6.2021 – XII ZB 73/21 – FamRZ 2021, 1737 [= Rpfleger 2021, 694] und vom 21.10.2020 –
XII ZB 153/20 – FamRZ 2021, 385).

2. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen
Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 30.6.2021 – XII ZB 73/21 – FamRZ 2021, 1737 [= Rpfleger 2021, 694] vom 21.10.2020 – XII ZB 153/20 – FamRZ 2021, 385).

3. Eine Anordnung zur Entscheidung über die Postangelegenheiten des Betroffenen nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB ist nur zulässig, soweit die Befugnis erforderlich ist, um dem Betreuer die Erfüllung einer ihm ansonsten übertragenen Betreuungsaufgabe in der gebotenen Weise zu ermöglichen. Zudem setzt eine solche Anordnung regelmäßig voraus, dass sie erforderlich ist, um eine erhebliche Gefährdung oder Beeinträchtigung von wesentlichen Rechtsgütern des Betroffenen zu beseitigen. Beides muss durch konkrete tatrichterliche Feststellungen belegt werden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 21.10.2020 – XII ZB 153/20 – FamRZ 2021, 385).

 

Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands einer AG, Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft

BGH, Beschluss vom 17.1.2023, II ZB 6/22

1. Die Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer Aktien-
gesellschaft ist bei der Beschlussfassung über seine Bestellung als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach § 181 Fall 1 BGB beschränkt.

2. § 112 Satz 1 AktG ist auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anwendbar.

 

Fälligkeit und Rückständigkeit öffentlicher Lasten in Zwangsversteigerung

BGH, Beschluss vom 26.1.2023,V ZB 37/21

Wird ein zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid durch eine rückwirkende Satzung geheilt, tritt die für die Ermittlung der Vier-Jahres-Frist des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG maßgebende Fälligkeit rückwirkend ein; ist der Bescheid nicht vor, sondern nach dem rückwirkenden Inkrafttreten der Satzung erlassen worden, richtet sich der Eintritt der Fälligkeit nach den Vorgaben des Bescheids.

 

Aufwendungen des Verfahrensbeistandes, Reichweite der Fallpauschale

OLG Hamm, Beschluss vom 14.4.2023, 6 WF 15/23

Mit der Fallpauschale des § 158c Abs. 1 Satz 3 FamFG sind sämtliche Aufwendungen des Verfahrensbeistandes abgegolten. Dies gilt auch bei erheblichen Dolmetscherkosten, die für die Verstän-
digung des Verfahrensbeistandes mit ausländischen Verfahrens-
beteiligten anfallen.

 

Vormund, Auswahl, Wille eines nicht sorgeberechtigten Elternteils

OLG Braunschweig, Beschluss vom 17.3.2023, 1 UF 2/23

1. Ein nicht sorgeberechtigter Elternteil kann bei Übergehung seines vorgeschlagenen Verwandten zum Vormund Beschwerde gegen die Auswahl und Bestellung eines Vormunds einlegen.

2. Der Wille des nicht sorgenberechtigen Elternteils ist im
Rahmen von § 1778 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu berücksichtigen.

3. Bei der Auswahl eines Vormundes ist der Kontinuitätsgrundsatz zu beachten.

(Leitsätze der Schriftleitung)

 

Unterhalt, Wechselmodell, Vertretung, Ausschluss, Ergänzungspflegschaft, Übertragung Alleinentscheidungsbefugnis, Abgrenzung, Absehen von einer Anhörung

OLG Stuttgart, Beschluss vom 1.3.2023, 11 UF 214/22

Bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen besteht für den Elternteil, der Kindesunterhalt geltend macht, ein Vertretungsausschluss nach § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB, sofern die Eltern ein paritätisches Wechselmodell praktizieren. Daher ist Ergänzungspflegschaft anzuordnen. Eine Übertragung nach § 1628 BGB kommt in solchen Fällen daher regelmäßig nicht in
Betracht.

(Leitsätze der Schriftleitung)

 

Übertragung, Kommanditanteil, Genehmigungsfähigkeit, Kindeswohl, Maßstab

OLG Karlsruhe, Beschluss vom, 9.11.2022, 5 WF 77/22

Bei der familiengerichtlichen Genehmigung einer Beteiligung an einer Gesellschaft ist zur Feststellung des Kindeswohls eine
Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile vorzunehmen. Bei einer solchen Beteiligung muss für die Genehmigungsfähigkeit nicht die haftungsmäßig günstigste Übertragung gewählt werden.

(Leitsätze der Schriftleitung)

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