Heft 1/2023 (Januar 2023)
Grundbuchberichtigungsanspruch, Löschung des eingetragenen Eigentümers
BGH, Urteil vom 16.9.2022, V ZR 151/21
Ohne die Angabe eines Berechtigten ist die Eintragung eines Rechts in das Grundbuch inhaltlich unzulässig. Deshalb kann ein Antrag auf Grundbuchberichtigung nicht auf die Löschung des eingetragenen Eigentümers beschränkt werden (Bestätigung von Senat, Urteil vom 12.6.1970 – V ZR 145/67, NJW 1970, 1544, 1545).
beA, Unmöglichkeit der Nutzung, Glaubhaftmachung, Nachholung, unverzüglich
BGH, Beschluss vom 21.9.2022, XII ZB 264/22
a) Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss.
b) Eine nachgeholte Glaubhaftmachung dreieinhalb Wochen nach der Ersatzeinreichung ist nicht unverzüglich erfolgt.
Ausschluss des Pflichtteilsrechts, englisches Recht, ordre public, Verstoß, hinreichend starker Inlandsbezug
BGH, Urteil vom 29.6.2022, IV ZR 110/21
Die Anwendung des gem. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gewählten englischen Erbrechts verstößt jedenfalls dann gegen den deutschen ordre public i. S. von Art. 35 EuErbVO, wenn sie dazu führt, dass bei einem Sachverhalt mit hinreichend starkem Inlandsbezug kein bedarfsunabhängiger Pflichtteilsanspruch eines Kindes besteht.
Miteigentümer als Beteiligte im Zwangsversteigerungsverfahren
BGH, Beschluss vom 22.9.2022, V ZB 8/22
1. In dem Verfahren über die Zwangsversteigerung eines Mit-
eigentumsanteils an einem Grundstück sind die Eigentümer der übrigen Miteigentumsanteile nicht schon wegen ihrer Stellung als Miteigentümer als Beteiligte i. S. von § 9 Nr. 1 ZVG anzusehen.
2. Die übrigen Miteigentümer sind aber nach § 9 Nr. 1 ZVG
Beteiligte, wenn für sie oder ihren jeweiligen Miteigentumsanteil ein Recht an dem zu versteigernden Miteigentumsanteil im Grundbuch eingetragen ist (etwa ein Grundpfandrecht, ein Vorkaufsrecht oder eine Regelung nach § 1010 BGB), oder wenn ihre aus dem Grundbuch ersichtlichen rechtlichen Interessen ausnahmsweise ihre Beteiligung gebieten; das ist etwa dann der Fall, wenn eine Gesamtgrundschuld auf allen Miteigentumsanteilen
lastet (Fortführung von Senat, Beschluss vom 7.6.2018 – V ZB 221/17 [= Rpfleger 2019, 47], ZfIR 2019, 31).
Anwaltsgebühren, Versteigerung mehrerer Bruchteile als gleiche Angelegenheit
BGH, Beschluss vom 22.9.2022, V ZB 2/20
Vertritt der Rechtsanwalt den Gläubiger in einem Zwangsversteigerungsverfahren über mehrere Bruchteile eines Grundstücks wegen einer Forderung, für die die Miteigentümer als Gesamtschuldner haften, dann handelt es sich um eine Angelegenheit i. S. von § 15 Abs. 2 RVG und erhält der Anwalt für das Verfahren nur eine 0,4-Gebühr nach Nr. 3311 Ziff. 1 VV RVG.
Betreuungsbehörde, Mitteilungen, Eignung, Betreuerin
OLG Schleswig, Urteil vom 29.9.2022, 11 U 158/21
1. § 7 BtBG erlaubt der Betreuungsbehörde, Betreuungsgerichten Umstände mitzuteilen, die aus Sicht der Behörde Zweifel an der Eignung einer Betreuerin und erhebliche Gefahren für das Wohle von Betreuten begründen können, solange die zugrundeliegende Prognoseentscheidung vertretbar ist.
2. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, bei der Ermessensentscheidung, ob diese Umstände mitgeteilt werden, das Interesse am Schutz der Betreuten höher als das Berufsausübungsinteresse der Betreuerin zu gewichten
Einziehung, Erbschein, funktionelle Zuständigkeit, NRW
OLG Köln, Beschluss vom 31.8.2022, 2 Wx 175/22
Werden Einwendungen gegen die Einziehung eines Erbscheins erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben ist auch bei Aufhebung des in § 16 Abs. 1 Nr. 1 RPflG geregelten Richtervorbehalts der Richter für die Entscheidung über die Einziehung funktionell zuständig.
VKH-Beschwerde durch Bezirksrevisor, Nutzungszwang zur Einreichung elektr. Dokumente
OLG Bamberg, Beschluss vom 4.11.2022, 2 WF 167/22
1. Der Freistaat Bayern als beschwerdeführende Staatskasse gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 3 ZPO wird nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 lit. e der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern vom 26.10.2021 (Vertretungsverordnung – VertV), A. 3. der Gemeinsamen Bekanntmachung zum Vollzug der Vertretungsverordnung (VollzBekVertV) durch den Bezirksrevisor vertreten.
2. Für den Freistaat Bayern als juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt § 130d ZPO. Der dort geregelte aktive Nutzungszwang gilt also auch für schriftliche Verfahrenshandlungen der „Staatskasse“.
3. Bezirksrevisoren als Vertreter des Freistaates Bayern müssen eine VKH-Beschwerde als elektronisches Dokument beim Empfangsgericht einreichen.
4. Verfahrenshandlungen, die unter Verstoß gegen den aktiven Nutzungszwang nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden, sind unwirksam und führen bei einer Rechtsmittelschrift zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.