Heft 7/2022 (Juli 2022)
Ausschlagung nach Art. 13 EuErbVO, Mitgliedstaat, Form, Frist, Adressat
EuGH, Urteil vom 2.6.2022, C-617/20
1. Es ist ausreichend, wenn die Ausschlagung eines Miterben nach Art. 13 EuErbVO in der Ortsform nach 28 lit. b) EuErbVO
erklärt wird.
2. Für die Einhaltung einer nach dem anwendbaren Erbrecht vorhandenen Frist (zur Ausschlagung oder Annahme) ist es ausreichend, wenn die Erklärung innerhalb der Frist gegenüber dem nach Art. 13 EuErbVO zuständigem Gericht eingehalten wird.
3. Die Erklärung muss nicht innerhalb der Frist bei dem nach Art. 4–10 EuErbVO zuständigen Gericht eingegangen sein.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Vergütung des Berufsbetreuers bei Betreuerwechsel, anteilige Berechnung
BGH, Beschluss vom 16.3.2022, XII ZB 248/21
Bei einem Wechsel des Berufsbetreuers während eines laufenden Abrechnungsmonats berechnet sich die Vergütung des ausscheidenden Betreuers zeitanteilig nach Tagen bis zur Beendigung der Betreuung. Maßgeblich für die Beendigung ist dabei nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Betreuerwechsel.
Erbfolge, Nachweis, Scheidungsklausel, Abweichung vom Gesetz
BGH, Beschluss vom 17.2.2022, V ZB 14/21
1. Einem Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO steht nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung eine dem § 2077 Abs. 1 BGB entsprechende Scheidungsklausel enthält, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Das gilt auch, wenn die Scheidungsklausel abweichend von
§ 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsieht, dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll, wenn der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt hat.
3. Etwas anderes gilt nur, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass ein entsprechender Scheidungsantrag gestellt worden ist.
(Leitsatz 3. der Schriftleitung)
Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblatts, „Grundbuchwäsche" (LS m. Anm. Böhringer)
KG, Beschluss vom 5.4.2022, 1 W 349/21
Der Grundstückseigentümer hat nach der Löschung von Zwangseintragungen grundsätzlich keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblatts (Anschluss an OLG Düsseldorf, FGPrax 2017, 100; OLG Köln, FGPrax 2015, 249; OLG Naumburg, FGPrax 2014, 54; OLG München, NJOZ 2014, 687; OLG Celle, FGPrax 2013, 146; BayObLG, NJW-RR 1993, 475).
Ersuchen an Grundbuchamt, elektronischer Rechtsverkehr, Nutzungspflicht für Behörden
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.3.2022, 3 W 19/22
Die Nutzung der elektronischen Form für ein Ersuchen an das Grundbuchamt ist in §§ 126 ff. GBO i.V. mit der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Rheinland-Pfalz vom 10.7.2015 ausschließlich für Notare verpflichtend vorgesehen. Mit der Einführung von § 130d ZPO und § 14b FamFG hat der Bundesgesetzgeber den Wortlaut des § 135 Abs. 1 Nr. 4 GBO nicht angepasst und keine Ausweitung der Nutzungspflicht, beispielsweise für Behörden, normiert.
Kapitalerhöhung bei GmbH, Übernahmeerklärung durch vollmachtlosen Vertreter, Unterschriftsbeglaubigung durch luxemburgischen Notar
KG, Beschluss vom 3.3.2022, 22 W 92/21
1. Eine der nach deutschem Recht erfolgten Unterschriftsbeglaubigung gleichwertige Beurkundung liegt dann nicht vor, wenn der ausländische Notar lediglich ihm vorgelegte Unterschriften mit anderen Unterschriften vergleicht, die ihm schon vorlagen.
2. Eine Übernahmeerklärung nach § 55 Abs. 1 GmbHG kann auch durch einen vollmachtlosen Vertreter erfolgen, wenn dieses Handeln später formgerecht durch den Übernehmer des Geschäftsanteils genehmigt wird.
Keine Unpfändbarkeit tarifvertraglicher Corona-Prämie, Erschwerniszulage, Zweckbestimmung
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.2.2022, 23 Sa 1254/21
1. Die auf der Grundlage der TV Corona-Prämie 2020 und TV Corona-Prämie 2021 von der Beklagten an den Kläger gezahlten Corona-Prämien sind als Arbeitseinkommen des Klägers i.S. des § 850 Abs. 2 und 4 ZPO gem. § 850 Abs. 1 ZPO pfändbar, da die Voraussetzungen für eine Unpfändbarkeit auf gesetzlicher Grundlage gem. §§ 850a ff. ZPO nicht erfüllt sind.
2. Insbesondere handelt es sich bei der tarifvertraglichen Corona-Prämie weder um eine Zuwendung aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses oder ein Treugeld (§ 850a Nr. 2 ZPO) noch um eine Gefahren- oder Erschwerniszulage oder eine Aufwandsentschädigung (§ 850a Nr. 3 ZPO).
Einwilligungsvorbehalt, Angelegenheiten der Staatsangehörigkeit
LG Berlin, Beschluss vom 29.12.2021, 87 T 285/20, 87 T 290/20
Ein Einwilligungsvorbehalt kann auch auf Willenserklärungen im Bereich der Wahrnehmung der Angelegenheiten der Staatsangehörigkeit erstreckt werden.
Kostenberechnung in Strafsachen, Anfallen der Gebühren nach Verbindung von Verfahren
LG Leipzig, Beschluss vom 15.2.2022, 17 Qs 2122
1. Ergeht ein Kostenfestsetzungsbeschluss, bevor die dem
Beschwerdeführer eingeräumte Frist abgelaufen war, so kann eine Nachholung des rechtlichen Gehörs noch im Beschwerde-
verfahren erfolgen.
2. Die in zwei getrennten Verfahren einmal entstandenen
Gebühren bleiben auch nach der Verbindung bestehen. Dies gilt auch für bereits angefallenen Pauschalen für Post und Telekommunikation.
3. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und das sich daran anschließende Strafverfahren erster lnstanz betreffen verschiedene Angelegenheiten.
(Leitsätze der Schriftleitung)