Heft 5/2022 (Mai 2022)

Berufsbetreuer, ehrenamtlicher Betreuer, Entlassung, Familienangehöriger, Vorrang, Geeignetheit, Aufgabenkreis, mehrere Betreuer
BVerfG, Beschluss vom 28.2.2022, 1 BvR 1619/21
1. Dem Schutz der Familie ist gemäß Art. 6 Abs. 1 GG bei der Bestellung eines Betreuers dadurch Rechnung zu tragen, dass (nahe) Familienangehörige bevorzugt zu berücksichtigen sind, wenn eine tatsächliche von familiärer Verbundenheit geprägte engere Bindung besteht.
2. Ehrenamtliche Familienangehörige gehen Berufsbetreuern grundsätzlich vor.
3. Die Entlassung eines Betreuers setzt eine Prognoseentscheidung dahingehend voraus, dass der potenzielle Betreuer voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben zu erfüllen.
4. Ein einmaliger Verstoß im Rahmen einer Vermögensangelegenheit rechtfertigt nicht die Entlassung aus allen Aufgabenkreisen.
5. Bei einer möglichen Entlassung ist besonders zu berücksichtigen, ob es sich um einen erstmaligen Verstoß handelt.
6. Ein passives Verhalten von Mitbetreuerinnen rechtfertigt ihre Entlassung grundsätzlich nicht.

Zwangssicherungshypothek, Eintragung von Zinsen als Nebenforderung (m. Anm. Dressler-Berlin)
BGH, Beschluss vom 21.10.2021, V ZB 52/20
1. Bei der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek können Zinsen, die in dem Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, nicht in kapitalisierter Form der Hauptforderung hinzugerechnet und als Betrag der Hypothek eingetragen werden.
2. Eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften i. S. von § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO liegt vor, wenn das Grundbuchamt bei der Eintragung das Gesetz nach seinem objektiven Inhalt nicht oder nicht richtig
anwendet; darauf, ob die der Eintragung zugrundeliegende Rechtsauffassung des Grundbuchamtes vertretbar ist oder war, kommt es nicht an.

Urkundsnotar, Testamentsvollstrecker, Einsetzung, eigenhändiges Testament
BGH, Beschluss vom 23.2.2022, IV ZB 24/21
Zur Einsetzung des Urkundsnotars als Testamentsvollstrecker in einem eigenhändigen Testament im Anschluss an die Beurkundung einer letztwilligen Verfügung.

Verstrickung, Wohlverhaltensperiode, Aussetzung der Vollziehung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
BGH, Beschluss vom 2.12.2021, IX ZB 10/21
Die Verstrickung einer gepfändeten Forderung kann während des Restschuldbefreiungsverfahrens dadurch beseitigt werden, dass das Vollstreckungsgericht die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben (Fortführung von BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – IX ZB 14/20, ZIP 2021, 644).

Unterschrift, Beglaubigung, Generalkonsulat, Russland
OLG Köln, Beschluss vom 12.1.2022, 2 Wx 2/22
Die Beglaubigung der Unterschriften eines nicht deutschen Staatsangehörigen als Verkäufer eines in Deutschland abgeschlossenen Kaufvertrages durch ein deutsches Generalkonsulat in der Russischen Föderation verstößt nicht gegen Art. 19 des deutsch-sowjetischen Konsularvertrages v. 26.4.1958.

Beglaubigungsvermerk einer Konsularbeamten zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrags
OLG Bremen, Beschluss vom 14.12.2021, 2 W 31/21
1. Der Vollzug einer Urkunde durch das Registergericht kann ausgeschlossen sein, wenn die Person des Erklärenden durch den Beglaubigungsvermerk nicht zweifelsfrei dokumentiert ist.
2. Dies ist etwas dann der Fall, wenn ein Beglaubigungsvermerk einer Konsularbeamtin keine Dokumentation der Feststellungen zu weiteren identifizierenden Merkmalen neben dem Namen des Erklärenden enthält.

Kostenerstattung, Erbscheinsverfahren, Tenorierung, Inhalt
OLG München, Beschluss vom 16.2.2022, 31 Wx 66/21 Kost
1. Bei Zurückweisung eines Erbscheinsantrags in einem Erbscheinserteilungsverfahren durch das Nachlassgericht umfasst die Tenorierung „Der Antragsteller hat die Kosten dieses Antrags zu tragen" nicht per se die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners.
2. Für eine Auslegung in diesem Sinne bedarf es zumindest
Anhaltspunkte in den Gründen der Entscheidung selbst.

Erstattung von Auslagen des Verfolgten im Auslieferungsverfahren
OLG Celle, Beschluss vom 21.2.2022, 2 AR (Ausl) 67/21
Ist die Auslieferung des Verfolgten unzulässig, kommt eine Erstattung seiner im Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen aus der Landeskasse nur in Betracht, wenn die Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung für zulässig hält und mit ihrem gem. § 29 Abs. 1 IRG beim Oberlandesgericht gestellten Antrag das Ziel der Auslieferung des Verfolgten anstrebt. Beantragt die Generalstaatsanwaltschaft dagegen, die Auslieferung für unzulässig zu erklären, ist für eine Auslagenerstattung kein Raum.

Haftung des Betreuers wegen Aufgabendelegation (m. Anm. Harm)
LG Berlin, Beschluss vom 26.1.2022, 8 S 15/21
Die Beauftragung von Beihilfeangelegenheiten an ein Fachinstitut ist pflichtwidrig und löst Schadenersatzansprüche aus, wenn der Betreuer für die Regelung der Angelegenheit selbst in der Lage ist 

Amtshilfe, Staatsanwaltschaft, Betreuungsgutachten, Erforderlichkeit, Schlüssigkeit 
AG Fulda, Gerichtsbescheid vom 27.1.2022, 1451 E
Bei einem Amtshilfeersuchen auf Übersendung eines Sachverständigengutachtens aus einer Betreuungsakte hat die ersuchende Behörde schlüssig darzutun, warum das Gutachten für das bei ihr geführte Verfahren von Bedeutung ist. Wenn dies nicht der Fall ist, ist das Amtshilfeersuchen abzulehnen.

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