Heft 4/2022 (April 2022)

Grunddienstbarkeit, Bezugnahme auf die ­Eintragungsbewilligung
BGH, Urteil vom 17.12.2021, V ZR 44/21
Soll Inhalt eines durch eine Grunddienstbarkeit gesicherten Geh-, Fahr- und Leitungsrechts auch das Recht zum Verweilen im Sinne eines Aufenthalts und eines beliebigen Hin- und Her­gehens auf dem dienenden Grundstück sein, muss dies im Grundbuch selbst zumindest schlagwortartig eingetragen werden. Eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 Satz 1 BGB genügt nicht.

Vollstreckungsklausel, Rechtsnachfolge durch Eintritt in Pachtvertrag
BGH, Beschluss vom 15.12.2021, VII ZB 38/20
1. § 727 ZPO ist im Klauselerteilungsverfahren analog anzuwenden, wenn der Erwerber eines verpachteten Grundstücks gemäß § 581 Abs. 2, § 566 Abs. 1 BGB in die Rechte des Pachtvertrags eingetreten ist.
2. Zum Nachweis des Eintritts des Erwerbers eines Grundstücks in die Rechte eines hierüber geschlossenen Pachtvertrags gemäß § 581 Abs. 2, § 566 Abs. 1 BGB.

Testament, Form, Neuerrichtung nach Widerruf
OLG München, Beschluss vom 26.1.2022, 31 Wx 441/21
Ein durch Testament widerrufenes (notarielles) Testament erlangt nicht dadurch wieder Wirksamkeit, dass der Erblasser es erneut mit Datumsangabe unterschreibt. Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht der gesetzlichen Form zu Errichtung einer Verfügung von Todes wegen.
(Leitsätze der Schriftleitung)

Ausschlagung, Anfechtung, Feststellungs­beschluss ohne Erbscheinsverfahren, ­Erbenermittlungspflicht, Rechtsbehelf
OLG Nürnberg, Beschluss vom 1.12.2021, 1 W 3870/21
1. Das Nachlassgericht ist nicht befugt, außerhalb eines Erbscheinsverfahrens oder der Feststellung des Fiskuserbrechts über die Wirksamkeit von Ausschlagungs- oder Anfechtungserklärungen zu entscheiden.
2. Das gilt auch, wenn nach Landesrecht eine Pflicht zu Erben­ermittlung besteht.
3. Gegen einen dennoch erlassenen Feststellungsbeschluss ist die befristete Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG statthaft.
(Leitsätze der Schriftleitung)

Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach Vakanz und Übernahmeangebot
OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.1.2022, 20 W 5/22
Zur Frage des Vorliegens eines dringenden Falles gemäß § 104 Abs. 2 S. 2 AktG im Falle einer aktienrechtlichen Übernahme­situation.

Kindschaftssachen; Fiktive Terminsgebühr ohne echten Erörterungstermin nach Beendigung durch Vergleich
OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 3.2.2022, 7 WF 179/21
1. Der Erörterungstermin in Kindschaftsachen nach § 155 Abs. 2 FamFG ist zwingend vorgeschrieben, so dass für den Rechtsanwalt eine fiktive Terminsgebühr im Sinne von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht, wenn das Verfahren infolge eines Vergleichsschlusses beendet wird, ohne dass zuvor eine Erörterung stattgefunden hat.
2. Der Wortlaut von 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ist dahingehend auszulegen, dass der Begriff „mündliche Verhandlung" auch eine Erörterung nach § 155 Abs. 2 FamFG umfasst (entgegen OLG München, Beschluss vom 20. September 2019 – 11 WF 666/19 – FamRZ 2020, 367; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Juli 2018 – 6 WF 74/18 – FamRZ 2019, 1083; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. April 2014 – 5 WF 181/13 – FamRZ 2014, 1941; OLG Schleswig, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 15 WF 410/13 – NZFam 2014, 470).

Form, ärztliche Stellungnahme, elektronisches Dokument, Unterbringung
LG Lübeck, Beschluss vom 28.1.2022, 7 T 27/22
1. Seit dem 1. Januar 2022 muss die dem Unterbringungsantrag (gleichzeitig) beizufügende ärztliche Stellungnahme – wie der Unterbringungsantrag selbst – als elektronisches Dokument an das Gericht übermittelt werden (§ 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 PsychHG SH in Verbindung mit § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG).
2. Die dem Unterbringungsantrag beizufügende ärztliche Stellungnahme (§ 8 Abs. 2 S. 1 PsychHG SH) soll gewährleisten, dass dem Gericht schon zu Beginn des Verfahrens geeignetes Material zur Verfügung gestellt und es dadurch in den Stand gesetzt wird, sich einen möglichst breiten und zuverlässigen Überblick zu verschaffen.
3. Es kann offenbleiben, ob die beizufügende ärztliche Stellungnahme (§ 8 Abs. 2 S. 1 PsychHG SH) einer handschriftlichen ­Unterzeichnung insbesondere dann bedarf, wenn die ärztliche Stellungnahme nicht von einem Arzt des Gesundheitsamtes erstellt wird.

Betreuervergütung, Nutzbare Kenntnisse bei Qualifikation als Diplom-Wirtschaftsingenieur
LG Arnsberg, Beschluss vom 07.02.2022, 5 T 265/21
1. Ein Berufsbetreuer mit der Qualifikation zum Diplom-Wirtschaftsingenieur ist aufgrund seiner beruflichen Qualifikation nur nach Vergütungstabelle A des VBVG zu vergüten ist, da seine berufliche Qualifikation in ihrem Kernbereich keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Kenntnisse nach § 4 Abs. 3 VBVG vermittelt.
2. Die nachträgliche Herabsetzung der Betreuervergütung im gerichtlichen Festsetzungsverfahren und die Rückforderung überzahlter Betreuervergütung für die Vergangenheit ist jedoch nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens­schutzes ausgeschlossen, wenn zuvor die Vertreterin der Landeskasse dem Amtsgericht auf ausdrückliche Anfrage in einem parallel ­laufenden Betreuungsverfahren mitgeteilt hat, die Vergütung des Beschwerdeführers richte sich in Verfahren mit angeordneter Vermögenssorge nach der Vergütungstabelle C des VBVG.

Corona Sonderzahlung (m. Anm. Hintzen)
AG Zeitz, Beschluss vom 24.1.2022, 5 M 195/06
Die vom Arbeitgeber gewährte Corona-Sonderzahlung stellt eine von der Bundesregierung initiierte Anerkennung für besondere Leistungen während der Pandemie dar, sie ist nicht pfändbar. Mangels konkreter gesetzlicher Regelung ist die Unpfändbarkeit unter Anwendung der besonderen Schuldnerschutzvorschrift des § 765a ZPO festzustellen.

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