Heft 3/2022 (März 2022)
Gewöhnlicher Aufenthalt, mehrere Mitgliedstaaten; subjektiver Wille (m. Anm. Lamberz)
EuGH, Urteil vom 25.11.2021, C-289/20
1. Ein Ehegatte, der sein Leben in zwei Mitgliedstaaten verbringt, kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. von Art. 3 Abs. 1a) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 nur in einem Mitgliedstaat haben (Rn. 51).
2. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt" wird grundsätzlich durch zwei Elemente gekennzeichnet: Den Willen des Betroffenen, den gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an einen bestimmten Ort zu legen, und eine hinreichend dauerhafte Anwesenheit an diesem Ort (Rn. 57).
(Leitsätze der Schriftleitung)
Schluss der Liquidation einer GmbH bei erfolgter Steuerfestsetzung unter Vorbehalt
BGH, Beschluss vom 9.11.2021, II ZB 1/21
Die Möglichkeit einer Änderung oder Aufhebung der Steuerfestsetzung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist, gegebenenfalls nach Durchführung einer Außenprüfung, begründet für sich genommen keine Zweifel an der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin.
Einstellung Umsatzsteuer in Berechnungsgrundlage, Abschlag für Insolvenzverwaltervergütung bei vorangegangener Eigenverwaltung
BGH, Beschluss vom 7.10.2021, IX ZB 42/20
1. Im Zuge der Betriebsfortführung vereinnahmte Umsatzsteuern sind in die mit dem Vergütungsantrag vorzulegende Überschussrechnung einzustellen.
2. Es kann einen Abschlag von der Regelvergütung des Insolvenzverwalters rechtfertigen, wenn der größte Teil der Forderungen bereits von dem gesondert vergüteten Sachwalter geprüft wurde.
3. Ein Abschlag kann auch gerechtfertigt sein, wenn die vom Insolvenzverwalter aus der vorangegangenen Eigenverwaltung übernommene Masse zu einem beträchtlichen Teil aus einem Kontoguthaben besteht.
Feststellungsbeschluss, Fiskuserbrecht, Zuständigkeit, Richtervorbehalt, Reichweite (m. Anm. Bestelmeyer)
OLG Braunschweig, Beschluss vom 17.12.2021, 3 W 48/21
1. Für die Feststellung des Fiskuserbrechts gem. § 1964 BGB ist beim Nachlassgericht funktionell grundsätzlich der Rechtspfleger zuständig; der landesrechtliche Richtervorbehalt des § 14 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 Nr. 4 ZustVO-Justiz umfasst das Feststellungsverfahren auch dann nicht, wenn Einwände gegen die Feststellung erhoben worden sind.
2. Eine Fiskuserbschaft kommt neben Erben dritter Ordnung nicht in Betracht; ist die ganze Linie eines Großelternpaares weggefallen, tritt gem. § 1926 Abs. 4 BGB die Linie des anderen Großelternpaares an ihre Stelle, nicht der Fiskus.
3. Ein Abvermerk der Geschäftsstelle stellt keine Aufgabe zur Post i. S. von § 15 Abs. 2 FamFG dar.
Verlängerung Erbbaurecht, kommunalverfassungsrechtliche Anforderungen
OLG Rostock, Beschluss vom 24.1.2022, 3 W 53/20
Die Eintragung der Verlängerung eines für ein gemeindeeigenes Grundstück bestellten Erbbaurechtes im Grundbuch erfordert entweder eine Vollwertigkeitserklärung gem. § 56 Abs. 7 S. 1 KV M-V oder eine Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde gem. § 56 Abs. 6 Nr. 1 KV M-V.
Aufhebung Kostenfestsetzungsbeschluss aus selbstständigem Beweisverfahren wegen Kostenregelung in Hauptsache
BGH, Beschluss vom 27.10.2021, VII ZB 7/21
Zur Auslegung eines Prozessvergleichs im Kostenfestsetzungsverfahren über die „Kosten des Rechtsstreits" bei bereits vorliegender rechtskräftiger Entscheidung über die Kosten eines vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens.
Kirchenaustritt, Bescheinigung, Antrag auf Berichtigung, Ablehnung, Anfechtbarkeit, Beschwerde, Rechtspflegererinnerung
OLG Köln, Beschluss vom 30.12.2021, 2 Wx 336/21
Die Ablehnung der Berichtigung einer in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgenommenen Niederschrift über die gegenüber dem Gericht abgegebenen Erklärung sowie die darüber erteilte gerichtliche Bescheinigung ist nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar.
Prüfungsrahmen für Registergericht bei Satzungsänderungsantrag
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.12.2021, 3 Wx 134/21
1. Die Abgrenzung zwischen einem Antrag auf Satzungsänderung und einem Änderungs- oder Ergänzungsantrag zu einem Antrag auf Satzungsänderung ist dann, wenn die zur Beurteilung stehenden Anträge dieselbe Satzungsbestimmung und denselben Regelungsgegenstand betreffen, anhand der Zielsetzung der Änderungen vorzunehmen.
2. Eine unterschiedliche Zielsetzung setzt voraus, dass beide Anträge in der Sache nicht nebeneinander stehen und nicht gleichzeitig positiv beschieden und umgesetzt werden können.
3. Rechtsfolge der rechtswidrigen Zurückweisung eines Änderungs- oder Ergänzungsantrages zu einem Antrag auf Satzungsänderung ist die Unwirksamkeit der beschlossenen Satzungsänderung. Dem
Verein bleibt der Nachweis vorbehalten, dass der in der Zurückweisung des Änderungs- oder Ergänzungsantrages liegende Satzungsverstoß für die beschlossene Satzungsänderung ausnahmsweise nicht relevant gewesen ist.