Heft 1/2022 (Januar 2022)
Einstellung der Zwangsversteigerung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderung
BGH, Beschluss vom 30.9.2021, V ZB 133/19
1. Voraussetzungen, Art und Wirkung einer einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung in ein Grundstück zur Vollstreckung einer durch Verwaltungsakt titulierten öffentlich-rechtlichen Geldforderung richten sich auch im Rahmen der von der Gläubigerin betriebenen Verwaltungsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung und dem Zwangsversteigerungsgesetz.
2. Bewilligt diese Gläubigern die Einstellung nach einer demnach nicht anwendbaren öffentlich rechtlichen Norm, dann kann sich diese Einstellung bei interessengerechter Auslegung als Ersuchen an das das Vollstreckungsgericht darstellen, das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 28 Abs. 2 ZVG einstweilen einzustellen.
3. Stellt die öffentlich rechtliche Gläubigerin das Verfahren nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ein, so steht für das Vollstreckungsgericht verbindlich fest, dass ein das gesamte Verfahren betreffender Vollstreckungsmangel i.S. des § 28 ZVG vorliegt.
Vergütung vorläufiger Insolvenzverwalter, Kriterien für Zu- und Abschläge
BGH, Beschluss vom 7.10.2021, IX ZB 4/20
Die Bemessung von Zu- und Abschlägen ist von dem Tatrichter so vorzunehmen, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine angemessene Vergütung gewährt wird. Eine Vergleichsrechnung anhand der Anzahl der aufgewendeten Stunden des Verwalters und seiner Mitarbeiter hat nicht stattzufinden (Fortführung BGH, Beschluss vom 1. März 2007 – IX ZB 278/05).
Nachlasspfleger, keine Zweckmäßigkeitsprüfung bei Vergütungsfestsetzung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.2021, I-3 Wx 87/20
1. Im Festsetzungsverfahren hat eine Kontrolle der vom Nachlasspfleger entfalteten Tätigkeit und abgerechneten Auslagen auf ihre Zweckmäßigkeit zu unterbleiben.
2. Einwände gegen die Berücksichtigungsfähigkeit von Stundenzahl und Auslagenpositionen sind deshalb nur erheblich, wenn sie dahingehen, dass
a) entweder ein sachlicher Bezug einzelner Maßnahmen zu dem Nachlass überhaupt
b) oder zu dem angeordneten Wirkungskreise des Nachlasspfleger nicht mehr erkennbar ist
c) oder die Handlungsweise des Nachlasspflegers zu einem derart übersetzten Zeitaufwand geführt hat, dass er sich durch eine sinnvolle Führung der Nachlasspflegschaft nicht mehr erklären lässt.
Löschung Nacherbenvermerk, Prüfung der Entgeltlichkeit einer Verfügung des befreiten Vorerben
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.9.2021, 3 Wx 125/21
1. Ob die Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Immobilie durch den befreiten Nacherben entgeltlich war, d.h. ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstand, hat das Grundbuchamt ohne Bindung an die Beweisvorschrift des § 29 Abs. 1 GBO an Hand aller Umstände frei zu würdigen.
2. Entgeltlichkeit ist zu bejahen, wenn die für die Bestimmung des Entgelts maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden und verständlich sowie der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen, und wenn begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind.
3. Die Prüfung der Entgeltlichkeit der Veräußerung beschränkt sich nach allgemeinen Grundsätzen auf die dem Nachlassgericht vorgelegten Eintragungsunterlagen und sonstige offenkundige Tatsachen. Dem Grundbuchamt ist es verwehrt, eigene Ermittlungen und Beweiserhebungen vorzunehmen.
4. Eine entgeltliche Veräußerung liegt nicht erst dann vor, wenn der Vorerbe denjenigen Kaufpreis vereinbart hat, der sich unter Anwendung der im Einzelfall sachgerechten Wertermittlungsmethode maximal vertreten lässt. Zweifel an der Pflichtgemäßheit der Übertragung ergeben sich nämlich im Allgemeinen nicht alleine aus dem Umstand, dass verschiedene Wertgutachten zu unterschiedlichen Schätzpreisen gelangen.
Löschung einer GmbH nach Liquidation, laufender Passivprozess als entgegenstehende Abwicklungsmaßnahme, Zulässigkeit einer Zwischenverfügung
KG, Beschluss vom 10.9.2021, 22 W 51/21
Eine Löschung der Firma nach § 74 Abs. 1 GmbHG kommt nicht in Betracht, wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Gesellschaft noch als Beklagte Partei in einem laufenden Zivilprozess ist.
Sachverständigenvergütung, Beginn der Erlöschensfrist bei mehrfacher Heranziehung in demselben Verfahren
OLG Celle, Beschluss vom 14.6.2021,5 StS 2/20
1. Die Verlagerung des Beginns der Erlöschensfrist für den Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG ist auch in Verfahren anzuwenden, in denen der Berechtigte mehrfach in unterschiedlichen Funktionen, etwa als Dolmetscher, Übersetzer und Sprachsachverständiger, herangezogen worden ist.
2. Bei der Anfertigung von Wortprotokollen aus Telekommunikationsaufzeichnungen ist ein Zeitaufwand von 45 Minuten pro Gesprächsminute jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn die Übersetzungsleistung durch schlechte Tonqualität und undeutliche Sprache erschwert ist sowie die Notwendigkeit besteht, zum Verständnis von – in Teilen konspirativ geführten – Gesprächen wiederholt Aufzeichnungen miteinander abzugleichen.
Bestimmung eines pfändungsfreien Betrages auf P-Konto bei schwankenden Lohnzahlungen
AG Norderstedt, 68 M 2057/18, Beschluss vom 11.10.2021
Erfolgen nach Kontopfändung ständig in der Höhe schwankende Lohnzahlungen auf das Pfändungsschutzkonto, ohne dass auch bei dem Arbeitgeber eine Lohnpfändung ausgebracht wurde, muss nicht für jeden Monat eine individuelle Pfändungsfreigabe beantragt werden. Stattdessen kommt in Betracht, einen auf Dauer angelegten pfändungsfreien Betrag zu bestimmen, der sich an den höheren oder auch höchsten Lohnzahlungen an den Schuldner orientiert.