Heft 9+10/2016 (September und Oktober 2016)

Vorschau
Stefan Meinhold: Die .de-Domain als Gegenstand der Zwangs­vollstreckung
Thomas Rauscher und Sven Loose: Die Eintragungsfähigkeit ausländischer Ehegatten und juristischer Personen im Grund­buch
Martin Menne: Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistandes in Kindschafts­verfahren vor dem Rechtspfleger
 
Elterl. Vermögensverwaltung, Erbausschlagung
BGH, Beschluss vom 29.6.2016, XII ZB 300/15
Der durch Verfügung von Todes wegen angeordnete Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für vom Kind ererbtes Vermögen umfasst auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft. Die in einem solchen Fall von einem ausgeschlossenen Elternteil im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung ist mangels Vertretungsmacht unwirksam.
 
Antragsformular für Pfändung/Überweisung
BGH, Beschluss vom 11.5.2016, VII ZB 54/15
Bietet das Antragsformular gemäß Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV hinsichtlich der Forderungsaufstellung eine vollständige Eintragungsmöglichkeit, ist ausschließlich das vorgegebene Formular zu nutzen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 4. November 2015 – VII ZB 22/15, NJW 2016, 81).
 
Insolvenz, stille Zwangsverwaltung, Vergütung
BGH, Beschluss vom 14.7.2016, IX ZB 31/14
1. Die Vereinbarung einer stillen Zwangsverwaltung, die zwischen den Absonderungsberechtigten einerseits und dem Insolvenzverwalter für die Masse andererseits abgeschlossen wird, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Masse keine Nachteile erleidet.
2. Ein Vertrag, in dem sich ein Insolvenzverwalter persönlich gegen Entgelt verpflichtet, für die Absonderungsberechtigten im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine stille Zwangsverwaltung durchzuführen, ist nichtig.
3. Die Durchführung der stillen Zwangsverwaltung ist im Rahmen der Festsetzung der Vergütung für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
4. Bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters ist hinsichtlich der Durchführung der stillen Zwangsverwaltung nur der Überschuss zu berücksichtigen, der hierbei zugunsten der Masse erzielt worden ist.
5. Ist die Berechnungsgrundlage nicht entsprechend größer geworden, ist für die Durchführung der stillen Zwangsverwaltung ein Zuschlag zu gewähren; dafür ist der Umfang des zusätzlichen Arbeitsaufwandes maßgebend. Bei der Bemessung der Höhe des Zuschlags ist als ein geeigneter Anhaltspunkt auch die Vergütung eines Zwangsverwalters nach § 18 ZwVwV in Betracht zu ziehen, sofern der Umfang der Tätigkeit und der Ertrag für die Masse vergleichbar sind.
 
Testamentsvollstreckung für Vorerben
OLG München, Beschluss vom 15.4.2016, 34 Wx 158/15
1. Bei Testamentsvollstreckung für den Vorerben ist nicht ohne weiteres von einer umfassenden Verfügungsbefugnis auch für den Nacherben auszugehen. Vielmehr ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln, in welchem Umfang der Erb­lasser dem Testamentsvollstrecker Befugnisse einräumen wollte.
2. Auch im Rahmen der Verfügungsbefugnisse nach § 2205 BGB hat das Grundbuchamt Beschränkungen zu beachten, die sich daraus ergeben, dass der zur Wahrung der Rechte des nicht befreiten Vorerben eingesetzte Testamentsvollstrecker Rechte des Nacherben nicht ausüben kann.
 
Auswahl des Vormunds
OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.4.2016, 6 UF 77/16
1. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des euro­päischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (sog. Dublin- III-Verordnung) ist seit 01.01.2014 in der Bundesrepublik Deutsch­land unmittelbar geltendes Recht und verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass ein unbegleiteter Minderjähriger von einem Vertreter, der über eine entsprechende Qualifikation und Rechtskenntnisse verfügt, vertreten wird, um zu gewährleisten, dass dem Wohl des Minderjährigen während der nach dieser Verordnung durchgeführten Verfahren Rechnung getragen wird.
2. Ein allgemeiner Rechtssatz, dass die nach europäischem Recht vorgesehene sachkundige Vertretung eines unbegleiteten Jugendlichen grundsätzlich durch das Jugendamt als Vormund gewährleistet ist, lässt sich nicht aufstellen, denn die notwendige Feststellung einer tatsächlichen Eignung für den Wirkungskreis der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten darf nicht durch die bloße Forderung, das Jugendamt müsse die Fähigkeit haben oder entsprechende Hilfen in Anspruch nehmen, ersetzt werden (gegen OLG Nürnberg, NJW 2016, 720).
3. Ein Amtsvormund ohne spezielle ausländer- und asylrecht­liche Kenntnisse kann regelmäßig nicht beurteilen, welche aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um den ausländerrechtlichen Status für den Minderjährigen zu klären und zu ­sichern, um im Interesse des Mündels bestmöglich zu handeln.
4. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Annahme eines besonderen Grundes i.S.d. § 1775 Satz 2 BGB ist nicht deshalb verletzt, weil gesellschaftlich bedingt statistisch steigende Fallzahlen wegen vermehrter Asylbewerber zu häufigerer Anordnung von Mitvormundschaft führen (gegen OLG Frankfurt, NZFam 2014, 806), denn dies ändert nichts daran, dass es in rechtlicher Hinsicht eine Ausnahmefallkonstellation bleibt.
 
Grenzpendler, örtliche Zuständigkeit
KG, Beschluss vom 26.4.2016, 1 AR 8/16
Bei sog. Grenzpendlern (hier: zwischen Deutschland und Polen) bestimmt sich die internationale Zuständigkeit in Erbsachen ab dem 17.08.2015 nach Art. 4 ff. EuErbVO und damit grundsätzlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Letzterer ist unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der persönlichen familiären Eingliederung des Erblassers in den (Aufenthalts-)Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO zu bestimmen. Dies kann dazu führen, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines bejahrten Grenzpendlers, der im Zweitstaat nicht integriert ist, beim Erststaat verbleibt, obwohl dieser keinen Wohnsitz mehr dort hat. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich dann nach nationalem Recht und knüpft gem. § 343 Abs. 2 FamFG n. F. an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an.
 
Kosten eines Privatgutachtens
OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.4.2016, 12 W 737/16
1. Kosten für ein Privatgutachten können nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) angesehen werden. Maßgeblich für ihre Erstattungsfähigkeit ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Beauftragung eines Privatgutachters ex ante als sachdienlich ansehen durfte.
2. Kosten eines vom Kläger vor Klageerhebung in Auftrag gegebenen, indes erst nach Klageerhebung erstellten unfallanalytischen Privatgutachtens sind nicht erstattungsfähig, wenn dieses Gutachten weder zur Herbeiführung der Schlüssigkeit des Klage­begehrens noch zur gebotenen Substanziierung des Klagevorbringens erforderlich war.

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