Heft 12/2015 (Dezember 2015)

Vorschau
Steffen Kögel: Vereinheitlichungsbestrebungen im europäischen Gesellschaftsrecht
Maik Schlaak: Gerichtskostenanfall bei derKontrollbetreuung nach dem 2.Kostenrechtsreformgesetz
Hagen Schneider: Kostenrechtliche Änderung in GrundbuchsachenaufgrunddesgeplantenGesetzeszumInternationalen Erbrecht
 
Genehmigte Unterbringung, betreuungsgerichtliche Genehmigung
BGH, Beschluss vom 28.7.2015, XII ZB 44/15 (+)
Auch im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach
§ 1906 Abs. 1 BGB bedarf es der gesonderten betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1906 Abs. 4 BGB, wenn dem Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. September 2012 – XII ZB 543/11 – FamRZ 2012, 1866 [= Rpfleger 2013, 26]).
Ohne ausdrücklichen Antrag des Betreuers kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme nur genehmigt werden, wenn sich aus dem Verhalten des Betreuers ergibt, dass er die Genehmigung wünscht.
 
Vergütungsanspruch des Betreuers
BGH, Beschluss vom 28.7.2015, XII ZB 508/14 (+)
Der Vergütungsanspruch des Betreuers endet erst mit der gerichtlichen Aufhebung der Betreuung nach § 1908 d BGB, es sei denn, das Ende der Betreuung steht bereits durch den Tod des Betreuten oder aufgrund eines entsprechenden Fristablaufs fest (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. August 2014 – XII ZB 479/12 – FamRZ 2014, 1778 [= Rpfleger 2014, 673]).
Hat der Kontrollbetreuer nach Widerruf der Vorsorgevollmacht dem Gericht mitgeteilt, dass die Betreuung aus seiner Sicht beendet sei, und ihm zugleich seinen Betreuerausweis sowie einen sich bis zu diesem Zeitpunkt erstreckenden Vergütungsantrag übersandt, steht dem Vergütungsanspruch für die Folgezeit bis zur gerichtlichen Aufhebung der Betreuung, in der der Kontrollbetreuer keine Tätigkeit mehr für den Betreuten erbracht hat, der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen.
 
Unterhaltspfändung, Arbeitsentgelt eines Strafgefangenen
BGH, Beschluss vom 1.7.2015, XII ZB 240/14 (+)
Von dem Arbeitsentgelt, das ein im Vollzug arbeitender Straf- gefangener erhält, steht für Unterhaltszwecke regelmäßig nur das Eigengeld zur.
Für die Bemessung des dem Strafgefangenen gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern zu belassenden Selbstbehalts bietet sich der Rückgriff auf den ihm zustehenden Taschengeldsatz an. Bei einem im Vollzug arbeitenden Strafgefangenen ist in der Regel davon auszugehen, dass der so bestimmte Selbstbehalt durch Belassen des Hausgelds gedeckt ist.
Auf das Eigengeld, das aus dem Arbeitsentgelt des im Vollzug arbeitenden Strafgefangenen gebildet wird, finden die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 c, 850 k ZPO keine Anwendung.
Stundung der Verfahrenskosten
BGH, Beschluss vom 9.7.2015, IX ZB 68/14
Wird ein Insolvenzverfahren auf einen Gläubigerantrag eröffnet, kann der Schuldner rückwirkend die Stundung der im Eröffnungsverfahren angefallenen Verfahrenskosten beantragen, wenn er durch das Insolvenzgericht nicht rechtzeitig über die Notwendigkeit eines Eigenantrags verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung belehrt worden ist (Ergänzung zu BGHZ 162, 181).
 
Untervollmacht
KG, Beschluss vom 14.7.2015, 1 W 688-689/15
Erteilt ein Unterbevollmächtigter unmittelbar im Namen des Geschäftsherrn eine Eintragungsbewilligung, ist gegenüber dem Grundbuchamt der Fortbestand von Untervollmacht und Hauptvollmacht nachzuweisen. Dabei kommt es bei der Untervollmacht auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Bewilligung und bei der Hauptvollmacht auf den Zeitpunkt der Erteilung der Untervollmacht an.
Der Fortbestand der Untervollmacht ist durch Vorlage der Urschrift, einer Ausfertigung oder der notariellen Bescheinigung, dass Urschrift oder Ausfertigung bei Abgabe der Bewilligung vorlagen, nachzuweisen. Hinsichtlich der Hauptvollmacht genügt eine beglaubigte Abschrift, wenn die Untervollmacht nicht vom Bestand der Hauptvollmacht abhängt und der die Untervollmacht beurkundende Notar bescheinigt, dass die Urschrift oder eine Ausfertigung der Hauptvollmacht vorlag.
 
Gemeinschaftliches Testament ohne Schlusserben
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.7.2015, I-3 Wx 193/14
1. Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament einander gegenseitig zu Erben eingesetzt, ohne einen Schlusserben zu bestimmen, was regelmäßig dafür spricht, dass der Überlebende über das Gesamtvermögen auch von Todes wegen frei sollte verfügen können, so kann die Anordnung „Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt …“ auch den Fall erfassen, dass der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (hier wurden die Eheleute in ihrer Wohnung gemeinsam tot aufgefunden und ist die an Demenz leidende Ehefrau wenige Tage nach ihrem Ehemann verstorben, weil sie sich nicht selbst versorgen konnte).
 
Führungsaufsicht
OLG Dresden, Beschluss vom 5.6.2015, 2 Ws 248/15
Die Weisung an den Probanden, seinen Wohnsitz unter einer bestimmten Anschrift zu nehmen, wird durch § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nicht gedeckt. Diese Vorschrift ermöglicht nur eine Mobilitätsbeschränkung, nicht hingegen die Zuweisung eines bestimmten Wohnortes gegen den Willen des Verurteilten. Auch findet sie – nicht zuletzt wegen der mit ihr einhergehenden, gesetzlich problematischen Belastung Dritter [z.B. Vermieter] und (daraus folgend) mit § 68 b Abs. 3 StGB für den Verurteilten – keine Rechtsgrundlage in § 68 b Abs. 2 Satz 1 StGB.
Die Anordnung, etwaige Wohnsitzwechsel nur nach Rücksprache mit dem Bewährungshelfer vornehmen zu dürfen, ist gesetzeswidrig. § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB ist hierfür als Rechtsgrundlage ungeeignet. Diese Vorschrift ermöglicht nur eine Meldeverpflichtung. Ein darüber hinausgehendes Mitsprache- oder gar Bestimmungsrecht des Bewährungshelfers bei der Wahl des Wohnsitzes ist nicht gedeckt. Die Weisung, sich „umgehend und im Einvernehmen mit der Bewährungshilfe um einen festen Arbeitsplatz zu bemühen“ findet vor dem Hintergrund, dass Art. 12 Abs. 1 GG zwar das Recht verleiht, nicht aber die Pflicht begründet, einen Arbeitsplatz zu wählen (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 und 3 GG), in § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 StGB keine Rechtsgrundlage. Danach kann ein Verurteilter nur angewiesen werden, sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden.
Die Verpflichtung, „sich zur Aufarbeitung und Behandlung seiner Persönlichkeitsstörung nach Anweisung und Empfehlung der behandelnden Ärzte und Psychologen in ambulante psychiatrische, psychotherapeutische und/oder psychologische Therapie zu begeben und den Anweisungen, insbesondere den Terminsvorgaben der Behandler Folge zu leisten,“ wird weder durch § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB gedeckt, noch ist sie geeignet, die Blanketbestimmung des § 145 a StGB in rechtsstaatlich hinreichender Weise auszufüllen. Auch steht die Entscheidung darüber, ob eine (die Therapiewilligkeit voraussetzende) Therapie fortzudauern hat, unter dem Richtervorbehalt. Sie kann nicht dem Ermessen eines (noch dazu unbenannten) Therapeuten überlassen bleiben.
 
Terminsgebühr für anwaltliche Besprechung, Klagerücknahme
OLG Koblenz, Beschluss vom 3.7.2015, 14 W 415/15
Ein auf die Klagerücknahme zielender Anruf des Beklagtenvertreters beim Prozessbevollmächtigten des Klägers kann in eine auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung münden und damit die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 RVG VV auslösen.
Bleibt der Inhalt des Telefongesprächs streitig, geht das zu Lasten desjenigen, der den gebührenrelevanten Sachverhalt behauptet, sofern keine äquipollente Sachdarstellung vorliegt (hier verneint).

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