Heft 03/2013 (März 2013)

Vorschau
Erhard Alff: Massenhafte Vollstreckungsmängel bei umwandlungsbedingter Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite?
Franz-Peter Groß: Der BGH und die „richterliche Willkür“
Klaus Rellermeyer: Entwicklung des Rechtspflegerrechts in den Jahren 2010 bis 2012
 
Versagung des Zuschlags wegen fehlender Vollstreckungsgrundlage
BGH, Beschluss vom 8.11.2012, V ZB 124/12
Ist aufgrund einer Eintragung im Genossenschaftsregister dem Rechtsnachfolger des in einem Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigers eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilt worden, darf die Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn dem Schuldner zusammen mit dem Titel neben der Vollstreckungsklausel ein Auszug aus dem Register zugestellt wird, welcher den aktuellen Registerinhalt im Zeitpunkt der Klauselerteilung wiedergibt.
 
Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters
BGH, Beschluss vom 15.11.2012, IX ZB 88/09
1. § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV ist unwirksam, soweit er anordnet, dass der Wert von Gegenständen, an denen Aussonderungsrechte bestehen, der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters hinzuzurechnen ist.
2. Forderungen sind auch bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters mit ihrem Verkehrswert, nicht mit dem Nominalwert anzusetzen.
3. Für die Vergütung des vorläufigen Verwalters, der das Unternehmen des Schuldners fortgeführt hat, ist bei der Berechnungsgrundlage nur der Überschuss zu berücksichtigen.
 
Öffentliche Zustellung
BGH, Beschluss vom 6.12.2012, VII ZR 74/12
Im Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet werden, wenn die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um eine öffentliche Zustellung zu vermeiden, und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht dargelegt hat (im Anschluss an BGH, Urteil vom 4. Juli 2012 – XII ZR 94/10, FamRZ 2012, 1376).
 
Rückfestsetzung der gezahlten Kosten gegen den PKH-Anwalt
BGH, Beschluss vom 20.11.2012, VI ZB 64/11
Zahlt die obsiegende Partei im Verlaufe des Rechtsstreits auf einen vom gegnerischen Rechtsanwalt gemäß § 126 Abs. 1 ZPO auf dessen eigenen Namen erwirkten Kostenfestsetzungsbeschluss und erlischt dessen Beitreibungsrecht durch die Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung, so kann die obsiegende Partei die gezahlten Kosten gegen den Anwalt rückfestsetzen lassen.
 
Verbraucherverband als Kläger, Reisekosten
BGH, Beschluss vom 12.12.2012, IV ZB 18/12
Ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherverband ist unabhängig von seiner Geschäftsorganisation in durchschnittlich schwierigen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung gehalten, einen am Gerichtsort ansässigen Prozessvertreter zu beauftragen. Reisekosten zum Prozessgericht zählen in diesen Fällen nicht zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
 
Nachweis der Vertretungsbefugnis, ital. GmbH
KG, Beschluss vom 18.10.2012, 1 W 334/12
1. Der Nachweis der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers einer italienischen GmbH (Società a Responsabilità Limitata, SRL) kann im Grundbuchverfahren durch die Vorlage eines beglaubigten Auszuges aus dem maßgeblichen italienischen Unternehmensregister (registro delle imprese) geführt werden.
2. Die im Grundbuchverfahren vorzulegende Übersetzung muss beweissicher durch Schnur und Siegel mit der fremdsprachlichen Urkunde verbunden, die Unterschrift öffentlich beglaubigt sein.
 
Kompetenzkonflikt beteiligter Nachlassgerichte
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2012, I-3 Sa 5/12
1. Bei nach Aktenlage nicht zu ermittelndem Eintritt der Rechtskraft der Unzuständigkeitserklärungen am negativen Kompetenzkonflikt beteiligter (Nachlass-) Gerichte reicht es für die Annahme der Rechtskraft aus, dass beide Gerichte sich ausdrücklich in Beschlussform unter Bekanntmachung dieser Entscheidung an die Beteiligten für unzuständig erklärt haben.
2. Hat eines der Gerichte sich nicht nur für unzuständig erklärt, sondern die Sache ausdrücklich durch Beschluss an das andere Gericht verwiesen, so ist dieser nicht bindend, wenn das verweisende Gericht die für die Annahme seiner Unzuständigkeit maßgeblichen Umstände nicht nachvollziehbar aufgezeigt hat.
3. Verstirbt der Erblasser in einem „Pflegewohnzentrum“, so stellt dieses seinen letzten Wohnsitz dar, wenn nicht mit einer Rückkehr des Betroffenen in seine Wohnung zu rechnen war.
 
Selbständiges Erwerbsgeschäft
AG Koblenz, Beschluss vom 14.12.2012, 206 F 365/12 (+)
1. Beabsichtigt der gesetzliche Vertreter, den Minderjährigen gemäß § 112 BGB zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbs­geschäfts zu ermächtigen, dann ist die familiengerichtliche ­Genehmigung zu erteilen, wenn der Minderjährige über die psychischen und geistigen Fähigkeiten sowie über eine charakter­liche Reife verfügt, die derjenigen eines Volljährigen entspricht. Er muss über sein Lebensalter hinaus gereift sein und aufgrund seiner individuellen Entwicklung über Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, die ihm ein adäquates Verhalten im Geschäfts­leben ermöglichen.
2. Die Genehmigung zur Gründung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist zu erteilen, wenn unter Abwägung aller Vor- und Nachteile für den Minderjährigen feststeht, dass der Abschluss des Vertrages seinen Interessen entspricht. Hierbei ist vor allem auf die materiellen, insbesondere die finanziellen Gesichtspunkte abzustellen, wobei es aber nicht darauf ankommt, jegliches unternehmerische und finanzielle Risiko von dem Minderjährigen fern zu halten.
3. Es ist zumindest dann zulässig, die ansonsten gemeinschaftliche Vertretung der GbR den volljährigen Gesellschaftern für diejenigen Rechtsgeschäfte alleine vorzubehalten, zu denen der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts ­bedarf, wenn die innerbetriebliche Geschäftsführung durch alle Gesellschafter gemeinsam und gleichberechtigt erfolgt.

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