Heft 10/2025 (Oktober 2025)

Wahrnehmung der Nacherbenrechte, transmortale Generalvollmacht

BGH, Beschluss v. 22.5.2025,V ZB 46/24

1. Der die Nacherbfolge anordnende Erblasser kann einen Dritten, der nicht Vorerbe wird, durch eine transmortale Vollmacht dazu ermächtigen, nach seinem Tod sowohl die Vor- als auch die Nacherben zu vertreten. Die einem Dritten erteilte transmortale Vollmacht kann nach Eintritt desVorerbfalls auch die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch umfassen. Ob es sich so verhält, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

2. Die einem Dritten, der nicht Vorerbe wird, erteilte transmortale Generalvollmacht des Erblassers umfasst im Zweifel auch die Vertretung des Nacherben nach Eintritt des Vorerbfalls und erstreckt sich auf die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch.

 

Akteneinsicht, Rechtsmittel gegen die Entscheidung

BayObLG, Beschluss v. 7.7.2025, 102 VA 60/25

1. Die Entscheidung über die Einsicht eines Dritten in die Akte eines laufenden Betreuungsverfahrens, in dem weiter eine spruchrichterliche Tätigkeit stattfindet, ist nicht als Justizverwaltungsakt zu qualifizieren, sondern als Akt der Rechtsprechung.

2. Gegen die Entscheidung des AG über die teilweise Ablehnung der Akteneinsicht ist in diesen Fällen die Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft.

 

Ausschlagungsanfechtung, Motivirrtum, Eigenschaftsirrtum

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 1.7.2025, I-3 W 63/25

1. Nicht die Überschuldung als solche ist eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses, sondern nur dessen Zusammensetzung, namentlich der Bestand an Aktiva oder Passiva.

2. Die irrtümlicheVorstellung über eine Überschuldung ist erst im Rahmen der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigen.

3. Erklärt der Erbe die Erbausschlagung auf einer rein spekulativen und bewusst ungesicherten Grundlage und lässt er sich bei seiner Entscheidung von bloßen Vermutungen und Befürchtungen leiten, beruht seine Ausschlagungserklärung nicht auf einem faktenbasierten Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses, sondern auf einem rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum.

 

Anwendbares Erbstatut, bewegliches, unbeweglichesVermögen (m. Anm. Müller-Lukoschek)

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.5.2025, I-3 W 86/25

1. Das Nachlassgericht kann vom Antragsteller eines Erbscheins nicht den Negativbeweis fordern, dass kein unbewegliches Vermögen zum Nachlass gehört, wenn nicht ersichtlich ist, an welchem Ort der Erblasser über welches unbewegliche Vermögen (Grundeigentum, Wohnungseigentum, Grundpfandrechte) verfügt haben könnte.

2. Zum beweglichen – und nicht zum unbeweglichen – Vermögen zählt die Beteiligung des Erblassers an einer ungeteilten Erbengemeinschaft.

3. Bestimmt sich die Erbfolge in Anwendung von Art. 36 Abs. 2 lit. a) EuErbVO nach den Regelungen des englischen Rechts, so gilt: Der bewegliche Nachlass wird nach dem Recht des tatsächlichen Lebensmittelpunkts („domicile“) des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, der unbewegliche Nachlass nach dem Recht des jeweiligen Lageortes vererbt.

4. Nach englischem Recht wird nicht der gesetzliche (oder testamentarisch bestimmte) Erbe, sondern der gerichtlich bestellte „administrator“ (oder der vom Erblasser im Testament benannte „executor“) alleiniger Rechtsnachfolger des Erblassers. Er – und nicht der Erbe – ist zur Beantragung eines Erbscheins berechtigt.

5. Dass der „administrator“ den Nachlass als Treuhänder für den/ die gesetzlichen Erben abzuwickeln hat, kann durch den Hinweis im Erbschein zum Ausdruck gebracht werden, dass der Erblasser nach englischem Recht beerbt worden und sein Nachlass auf den „administrator“ übergegangen ist, der den Nachlass als Treuhänder zugunsten des/der gesetzlichen Erben zu verwalten hat.

 

Geschäftsführung, Geschäftsführer, Geschlechtsneutralität (m. Anm. Kögel)

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.7.2025, I-3 W 85/25

1. Wird gesellschaftsvertraglich die allgemeine Vertretungsregelung des/der Geschäftsführer(s) geändert, muss neben der schlag- wortartig zu erwähnenden Änderung des Gesellschaftsvertrages zugleich die neue Vertretungsregelung ausdrücklich und inhaltlich gemäß dem einzutragenden Wortlaut wiederholend nach allgemeinen Grundsätzen angemeldet werden.

2. Weicht die Formulierung in der Registeranmeldung von dem exakten Wortlaut der Satzungsänderung ab, ist die Anmeldung nur dann formell ordnungsgemäß, wenn in der Anmeldung stattdessen ein nach allgemeinem Sprachgebrauch zweifelsfrei sinnidentischer Begriff verwendet wird.

3. Das Wort „Geschäftsführer“ und das Wort „Geschäftsführung“ erfüllen diese Voraussetzung nicht.

4. Das materielle Prüfungsrecht des Registergerichts aus § 9c Abs. 1 Satz 1 gilt trotz der systematischen Stellung des § 57a im Gesetz nicht nur für die Kapitalerhöhung, sondern allgemein für Satzungsänderungen. Folglich hat das Registergericht eine angemeldete Eintragung abzulehnen, wenn die geänderte Bestimmung des Gesellschaftsvertrages gegen das Gesetz verstößt.

5. Für die gesetzlich vorgeschriebenen Verlautbarungen, d.h. für die Geschäftsbriefe gem. § 35a GmbHG und für die Eintragung im Handelsregister, ist die Bezeichnung „Geschäftsführer“ zwingend zu verwenden. Die Bezeichnung „Geschäftsführung“ ist nicht eintragungsfähig.

6. Der vom Gesetzgeber verwendete Begriff „Geschäftsführer“ ist geschlechtsneutral zu verstehen.