Heft 2/2023 (Februar 2023)
Vollmacht, Wirksamkeit, Amtsermittlung, Kontrollbetreuung
BGH, Beschluss vom 2.11.2022, XII ZB 339/22
Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat es von Amts wegen nachzugehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22.6.2022 – XII ZB 544/21 – FamRZ 2022, 1556).
Eintragung Zwangssicherungshypothek, elektronischer Rechtsverkehr, Papierurkunde
OLG Schleswig, Beschluss vom 7.6.2022, Az: 2 Wx 31/22
1. Wird das Grundbuchamt bei der Eintragung als Vollstreckungsorgan tätig, hat es sowohl die vollstreckungsrechtlichen als auch die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen selbständig zu prüfen.
2. Das Vorliegen der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) bestimmt sich nach der ZPO und ist durch Vorlage der Vollstreckungsunterlagen nachzuweisen. Gemäß § 724 ZPO wird die Zwangsvollstreckung aufgrund einer mit Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt.
3. Die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils ist stets Papierurkunde. Aufgrund einer elektronisch durch den Notar beglaubigten Abschrift einer vollstreckbaren Ausfertigung ist eine Zwangsvollstreckung nicht möglich. Daran ändert auch die Bestimmung des § 135 GBO zum elektronischen Rechtsverkehr nichts. Sie gilt nur für die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen.
Vertretungsberichtigung gegenüber Grundbuchamt, ausländische Gesellschaft, Bescheinigung durch ausländischen Notar
OLG Schleswig, Beschluss vom 16.5.2022, 2 Wx 40/21
1. Die Bescheinigung der Vertretungsberechtigung durch einen deutschen Notar reicht als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt jedenfalls dann gem. § 21 BNotO aus, wenn der Notar Einsicht in ein ausländisches funktionsäquivalentes Register genommen hat, das seiner rechtlichen Bedeutung nach dem deutschen Handelsregister entspricht.
2. Eine Vertretungsbescheinigung durch einen ausländischen Notar reicht – auch wenn § 21 BNotO nicht direkt anwendbar ist – ebenfalls als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt aus, wenn für Gesellschaften öffentliche Register existieren, die in ihrer rechtlichen Bedeutung dem deutschen Handelsregister entsprechen und wenn die Bescheinigung den für eine solche Bescheinigung geltenden Bestimmungen des ausländischen Rechts entspricht. Das gilt für Notare aus dem Bereich des lateinischen Notariats, das geprägt ist durch das Verständnis der Notarin oder des Notars als Träger eines öffentlichen Amtes im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege.
3. Die Vertretungsbescheinigung eines niederländischen Notars nach Einsicht in das Register der niederländischen Handelskammer ist ein tauglicher Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, weil es sich bei dem niederländischen Register um ein funktionsäquivalentes Register handelt und niederländische Notare solche des lateinischen Notariats sind.
Erbfolge, Ausschlagung, Prüfung, Grundbuchamt
OLG Zweibrücken, Beschluss von 30.8.2022, 3 W 61/22
Die Frage der Wirksamkeit einer Erbausschlagung kann im Regelfall angesichts der Möglichkeit einer vorherigen Annahme durch den Ausschlagenden nicht im grundbuchrechtlichen Verfahren durch Auslegung entschieden werden (§§ 29, 35 GBO).
Wechselbezüglichkeit, Abänderungsbefugnis, Änderung, Verteilung, Reichweite
OLG Hamm, Beschluss vom 5.5.2022, 10 W 40/21
Bestimmen die Eheleute in einem gemeinsamen Testament, „dass der Letztversterbende berechtigt ist, das Testament noch einseitig abzuändern, jedoch nur in dem die Verteilung des Nachlasses unter den Kindern anders geregelt wird“ kann diese Abänderungsbefugnis dahingehend ausgelegt werden, dass eines der Kinder das gesamte Erbe enthält. Denn dabei handelt es sich streng genommen auch um eine „andere Verteilung“ des Nachlasses.
Sitzungsgewalt, Anordnung einer Maskenpflicht, Verzögerungsgebühr
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.9.2022, 7 WF 116/22
1. Die Anordnung zum Tragen eines Mund-/Nasenschutzes nach § 176 Abs. 1 GVG im Sitzungssaal ist nicht willkürlich und für alle Beteiligten bindend.
2. Zur Verhängung einer Verzögerungsgebühr gem. § 32 FamGKG bei Zuwiderhandlung und Terminsvertagung.
Auslagenerstattung im Kostenfestsetzungsverfahren, Pauschalhonorar für Terminsvertreter
OLG Dresden, Beschluss vom 7.11.2022, 12 W 561/22
Beauftragt der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen einen Terminsvertreter zur Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung, handelt es sich bei den dadurch dem Prozessbevollmächtigten entstehenden Kosten in Form der Vergütung des Terminsvertreters nicht um Auslagen i. S.von Vorbemerkung § 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG. Derartige Kosten sind selbst dann, wenn der Mandant dem Prozessbevollmächtigten diese Kosten ersetzt, im Kostenfestsetzungsverfahren nicht gegen den Prozessgegner festzusetzen.
Betreuer, Pflichtverteidiger, Aufgabenkreis, Vertretung vor Behörden
LG Magdeburg, Beschluss vom 21.7.2022, 25 Qs 53/22, 25 Qs 262 Js 24395/22 (53/22)
1. Wenn der Aufgabenkreis „Vertretung vor Behörden“ durch einen Betreuer abgedeckt wird, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Betreute als Beschuldigter zur Selbstverteidigung nicht in der Lage sein wird.
2. Dem Betreuer ist aufgrund einer notwendigen Verteidigung, § 140 Abs. 2 StPO, ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
(Leitsätze der Schriftleitung)