Heft 11/2020 (November 2020)

Betreuer, Aufgabenkreis alle Angelegenheiten, Voraussetzungen
BGH, Beschluss vom 10.6.2020, XII ZB 25/20
Die Bestellung eines Betreuers für alle Angelegenheiten setzt ­voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Erkrankung oder Behinderung keine seiner Angelegenheiten selbst besorgen kann. Zudem muss in all diesen Angelegenheiten, die die gegenwärtige Lebenssituation des Betroffenen bestimmen, ein Handlungsbedarf bestehen. Beides muss durch konkret festgestellte Tatsachen näher belegt werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. Mai 2020 – XII ZB 61/20 – zur Veröffentlichung bestimmt).

Überweisungsbeschluss, Wirksamkeit, ­Nichtigkeit
BGH, Beschluss vom 2.7.2020, VII ZA 3/19
1. Die Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung setzt als Hoheitsakt die öffentlich-rechtliche Beschlagnahme des Pfandgegenstandes (Verstrickung) voraus. Deshalb gehört eine wirksame Pfändung zum Tatbestand der Überweisung. Wirksam ist eine Pfändung, wenn sie nicht nichtig ist, das heißt unter einem besonders schweren und bei verständiger Würdigung aller in ­Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehler leidet.
2. Allein in der Nichtbeachtung von Pfändungsschutzvorschriften liegt kein besonders schwerer und offenkundiger Fehler der Pfändung einer Forderung (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – VII ZB 16/08 [= Rpfleger 2009, 94], NJW-RR 2009, 211)

Grundbuchberichtigung, Nachweisurkunden, Form
KG, Beschluss vom 8.7.2020, 1 W 35/20 (mit Anm. Dressler-Berlin)
1. Nach dem Tod eines GbR-Gesellschafters kann das Grundbuch auf Bewilligung seines Erben nebst Tatsachenangaben berichtigt werden, aus denen sich ergibt, dass es durch die bewilligte Eintragung richtig wird („schlüssige Darlegung der Unrichtigkeit"). Die Buchposition des verstorbenen GbR-Gesellschafters geht immer auf den Erben über (Fortführung von Senat, NZG 2016, 555). Soll der Verstorbene ersatzlos gelöscht werden, bedarf es keiner Bewilligung der weiteren eingetragenen Gesellschafter (Fortführung von Senat FGPrax 2011, 217; 2015, 153).
2. Das Grundbuch kann nicht auf Grund privatschriftlicher ­Erklärungen berichtigt werden, wenn diese ohne weiteres in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abgegeben werden könnten (ent­gegen OLG München, NZG 2020, 191).

Ergänzungspfleger, besondere Kenntnis, ­Diplom-Wirtschaftsjuristin, Vergütung, ­Plausibilitätsprüfung
OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.8.2020, 9 WF 187/20
Der Abschluss „Diplom-Wirtschaftsjuristin" stellt keine besondere Kenntnis im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 VBVG dar.
(Leitsatz der Schriftleitung)

Satzung, fehlende Bestimmungen, Eintragungsfähigkeit, Mindestfrist zu Einberufung einer Mitgliederversammlung
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.8.2020, I-3 Wx 130/19
1. Enthält die beim Registergericht eingereichte Satzung eines (Kultur-)Vereins (entgegen der Soll-Vorschrift des § 58 Nr. 4, 3. Fall BGB) keine Bestimmungen über die Beurkundung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung, so ist die Satzung diesbezüglich zu ergänzen, um ihre Eintragungsfähigkeit herbeizuführen.
2. Für die Beurteilung, ob eine satzungsmäßig statuierte Mindestfrist von (lediglich) fünf Tagen zur Einberufung der Mitgliederversammlung einer rechtlichen Überprüfung standhält, ist aus-
schlaggebend, welche Gegebenheiten anlässlich der Einberufung einer Mitgliederversammlung der Satzungsgeber als typischerweise vorhanden annehmen durfte (hier: Kurze Einberufungsfrist zu billigen mit Blick auf Traditionsverein mit stark lokalem Bezug; seit Jahren zeitlich auf einen abstrakt bestimmten Tag im Januar habitualisierte Abhaltung der Mitgliederversammlungen; besondere Sachkunde von Mitgliedern in Bezug auf den Vereinszweck; kein Widerstand gegen die Kürze der Einberufungsfrist).

Aufnahme einer Gesellschafterliste, Erledigung, Feststellungsinteresse
KG, Beschluss vom 13.3.2020, 22 W 53/18
1. In einem Beschwerdeverfahren auf Aufnahme einer Gesellschafterliste in den Registerordner tritt Erledigung ein, wenn ­später eine jüngere Liste gleichen Inhalts in den Registerordner aufgenommen wird.
2. Die Feststellung einer Erledigung nach § 62 Abs. 1 FamFG kommt weder für einen in den Listen ausgewiesenen Gesellschafter noch die Gesellschaft in Betracht

Forderungspfändung, Rückschlagsperre, ­Aussetzung
LG Stuttgart, Beschluss vom 18.03.2020, 19 T 145/19 (mit Anm. Els)
1. Die Unwirksamkeit gem. § 88 InsO ist eine schwebende.
2. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, die Vollstreckungsmaßnahme uneingeschränkt aufzuheben.
3. Wenn aber keine Gefahr besteht, dass die Drittschuldnerin an die Gläubigerin leistet, kann die Aussetzung als milderes Mittel ausreichend sein.
(Leitsätze der Schriftleitung)

Pfändbarkeit Corona-Soforthilfe
AG Zeitz, Beschluss vom 2.9.2020, 14 M 222/20 (mit Anm. Els)
1. Die Corona-Soforthilfe stellt eine zweckgebundene Leistung dar, die nach § 851 Abs. 1 ZPO an der Quelle unpfändbar ist.
2. Es ist daher unter Anwendung der besonderen Schuldnerschutzvorschrift des § 765a ZPO auf Schuldnerantrag die Unpfändbarkeit dieser Gutschrift der Corona-Soforthilfe auf dem P-Konto des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht analog § 850k Abs. 4 ZPO festzustellen
(Leitsätze der Schriftleitung)

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