Heft 11/2016 (November 2016)

Vorschau

Helmut Wagner/Oliver Weber: Die Beendigung des Erbbaurechts in der Grundbuchpraxis

Hagen Schneider: Einschränkung der persönlichen Kostenfreiheit in Nachlasssachen

Horst Bestelmeyer: Die Entwicklung des Erbrechts seit 2014

 

Kindeswohlprüfung

BGH, Beschluss vom 15.6.2016, XII ZB 419/15

a) Auch bei der „negativen“ Kindeswohlprüfung nach § 1626 a Abs. 2 Satz 1 BGB ist vorrangiger Maßstab für die Entscheidung das Kindeswohl. Notwendig ist die umfassende Abwägung aller für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände. Dafür gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grund-
sätze.

b) Erst wenn sich nach erschöpfender Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ergibt sich aus der negativen Formulierung der Kindeswohlprüfung die (objektive) Feststellungslast dahin, dass im Zweifelsfall die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam auszusprechen ist.

c) Gründe, die der gemeinsamen elterlichen Sorge im Sinne von § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenstehen können, sind bereits dann gegeben, wenn sich aus den dem Gericht dargelegten oder sonst ersichtlichen konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten die Möglichkeit ergibt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Unbeachtlich sind dagegen Umstände, die keinen Bezug zum konkreten Fall oder dem Wohl des Kindes aufweisen.

d) Zur persönlichen Anhörung des Kindes im Sorgerechtsverfahren.

 

Grundstücksschenkung unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts

BGH, Urteil vom 29.6.2016, IV ZR 474/15

Behält sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vor, so kann hierdurch in Ausnahmefällen (hier verneint) der Beginn des Fristlaufs gem. § 2325 Abs. 3 BGB gehindert sein (Fortführung des Senatsurteils vom 27. April 1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 [= Rpfleger 1995, 70]).

 

Formularzwang für Forderungspfändung; Verrechnung von Zahlungen

BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 – VII ZB 58/15 – LG Augsburg

a) Sofern das Antragsformular gemäß Anlage 2 zu § 2 Satz 1 Nr. 2 ZVFV für den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der zu vollstreckenden Forderungen auf Seite 3 keine vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeit bietet, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gläubiger wegen der zu vollstreckenden Forderungen insgesamt auf eine in einer Anlage beigefügte Forderungsaufstellung verweist, auch wenn eine zutreffende Eintragung der zu vollstreckenden Forderungen in die vorgegebene Forderungsaufstellung teilweise möglich gewesen wäre.

b) Das Antragsformular bietet auf Seite 3 keine vollständige und zutreffende Eintragungsmöglichkeit, wenn der Gläubiger die Vollstreckung wegen mehrerer Kostenforderungen nebst Zinsen mit gleicher Zinshöhe, aber unterschiedlichen Zinsläufen betreibt.

c) Das Vollstreckungsgericht ist im Rahmen des streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht befugt, eine vom Gläubiger vorgenommene Verrechnung an ihn geleisteter Zahlungen auf ihre Richtigkeit gemäß § 367 Abs. 1 BGB hin zu überprüfen.

 

Kosten des Insolvenzverfahrens

BGH, Beschluss vom 14.7.2016, IX ZB 46/15

Vergütungen und Auslagen des gemeinsamen Vertreters für die Gläubiger von inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen gehören nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens. Sie können nicht vom Insolvenzgericht festgesetzt werden.

 

WE-Gemeinschaft als Miteigentümerin

OLG München, Beschluss vom 11.5.2016, 34 Wx 73/15

1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann als (Mit-)Eigentümerin von Grundbesitz in das Grundbuch eingetragen werden (Anschluss an BGH vom 18.3.2016 – V ZR 75/15).

2. Offen bleibt, ob das Grundbuchamt den Verwaltungscharakter des Erwerbsgeschäfts zu prüfen hat. Stellt sich nach dem Inhalt der Urkunde der Erwerb als Verwaltungsmaßnahme dar, kann der Nachweis jedenfalls im Rahmen der freien Beweiswürdigung als geführt angesehen werden.

 

Erhöhungsgebühr, Anrechnung

OLG Koblenz, Beschluss vom 24.6.2016, 14 W 323/16

1. Wird mit einem PKH-Antrag unbedingte Klage erhoben, sind die Beklagten nicht verpflichtet, den Auftrag zur Rechtsverteidigung auf das Prozesskostenhilfeverfahren zu beschränken.

2. Ist die Verfahrens- und die Erhöhungsgebühr für den Beklagtenvertreter entstanden, entfällt die Erhöhungsgebühr nicht dadurch, dass einer von zwei Beklagte noch vor der Zustellung der Klage verstirbt.

3. Hat der Erblasser die vorgerichtliche Geschäftsgebühr des Rechtsanwaltes gezahlt, ist der alleinerbende Dritte (hier die Klägerin) im Sinne des § 15a RVG so zu behandeln, als stamme die Zahlung von ihm.

 

Erstattung eines Privatgutachten

OLG Koblenz, Beschluss vom 23.6.2016, 14 W 319/16

1. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachten, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

2. Die Notwendigkeit ist zu begründen und glaubhaft zu machen (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Bezugnahme auf eine Stundenaufstellung ist dabei nicht ausreichend, wenn dort nur formelhaft Tätigkeiten aufgeführt sind, die die Notwendigkeit nicht begründen (hier: „Telefonat“, „Durchsicht Klageschrift“, „Texte erstellt“ „Schreiben“, „Ortsbesichtigung“, „Schriftverkehr“, „Durchsicht Unterlagen“, Durchsicht BWSV, „Text für BWSV“ usw.). 

3. Zur Begründung der Notwendigkeit gehört auch, dass dargelegt wird, dass die notwendigen Erkenntnisse der Partei weder durch ein selbständiges Beweisverfahren noch durch die gerichtliche Beweisaufnahme vermittelt werden können.

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