Heft 4/2015 (April 2015)

Vorschau
Klaus Rellermeyer: Entwicklung des Rechtspflegerrechts seit 2013
Uwe Seifert: § 765a ZPO im Verfahren der Räumungsvollstreckung und der Zwangsversteigerung
Stefan Lissner: Verwalterbestellung und Evokationsrecht zwischen Zuständigkeit, Nichtigkeit und Fragwürdigkeit
 
Zuständigkeitskonzentration für grenz­überschreitende Unterhaltssachen
EuGH (3. Kammer), Urt. v. 18.12.2014, Rs. C-400/13 u. C-408/13
Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die eine gerichtliche Zuständigkeitskonzentration für grenzüberschreitende Unterhaltssachen bei dem für den Sitz des Rechtsmittelgerichts zuständigen erstinstanzlichen Gericht begründet, es sei denn, diese ­Regelung trägt zur Verwirklichung des Ziels einer ordnungs­gemäßen Rechtspflege bei und schützt die Interessen der Unterhaltsberechtigten, indem sie zugleich eine effektive Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen begünstigt, was zu prüfen jedoch Sache der vorlegenden Gerichte ist.
 
Betreuung gegen den Willen des Betreuten
BVerfG, Beschluss vom 20.1.2015, 1 BvR 665/14
Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des zu Betreuenden setzt voraus, dass der Betreute tatsächlich seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. § 1896 Abs. 1 Buchstabe a BGB). Der Staat hat von Verfassung wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger in ihrer Freiheit zu beschränken, ohne dass sie sich selbst oder andere gefährden. Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen, ohne dass hinreichende Tatsachen für eine Beeinträchtigung des freien Willens vorliegen, verletzt deshalb das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG.
 
Anerkennung einer ausl. Gerichts­entscheidung
BGH, Beschluss vom 10.12.2014, XII ZB 463/13
1. Eine ausländische Gerichtsentscheidung, die die Feststellung der rechtlichen Verwandtschaft enthält, ist im Gegensatz zur bloßen Registrierung des Verwandtschaftsverhältnisses der Anerkennung zugänglich.
2. Bei der Prüfung, ob die Entscheidung gegen den ordre public verstößt, sind auch die von der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Menschenrechte zu berücksichtigen.
3. Allein aus dem Umstand, dass eine ausländische Entscheidung im Fall der Leihmutterschaft die rechtliche Elternschaft zu dem Kind den Wunscheltern zuweist, folgt jedenfalls dann kein Verstoß gegen den ordre public, wenn ein Wunschelternteil – im Unterschied zur Leihmutter – mit dem Kind genetisch verwandt ist.
4. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Elternstellung neben dem genetischen Vater auch dessen eingetragenem Lebenspartner zugewiesen wird.
 
Gepfändetes Guthaben auf einem Pfändungs­schutzkonto
BGH, Urteil vom 4.12.2014, IX ZR 115/14
Gepfändetes Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto, das erst nach Ablauf des auf den Zahlungseingang folgenden Kalendermonats an den Gläubiger geleistet werden darf, kann, soweit der Schuldner hierüber in diesem Kalendermonat nicht verfügt und dabei seinen Pfändungsfreibetrag nicht ausschöpft, in den übernächsten Monat nach dem Zahlungseingang übertragen werden und erhöht dort den Pfändungsfreibetrag.
 
Vergütung des Insolvenzverwalters nach Regelsätzen
BGH, Beschluss vom 4.12.2014, IX ZB 60/13
Die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach den Regelsätzen verletzt trotz der Geldentwertung seit dem Inkrafttreten der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung im Jahr 1999 derzeit noch nicht den Anspruch des Verwalters auf eine seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessene Vergütung.
 
Verkehrsanwaltskosten im Revisionsverfahren
BGH, Beschluss vom 13.11.2014, VII ZB 46/12
1. Die Kosten für einen Verkehrsanwalt sind im Revisionsverfahren nur bei Vorliegen besonderer Umstände erstattungsfähig.
2. Der Zeitaufwand einer Partei für die Beschaffung von Informationen und die Durch- und Aufarbeitung des Prozessstoffes gehört zum allgemeinen Prozessaufwand, der nicht erstattungsfähig ist. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Partei nicht selbst tätig geworden ist, sondern eine Hilfsperson beauftragt hat.
 
Nachweis der gesetzlichen Vertretungsmacht
KG, Beschluss vom 4.11.2014, 1 W 247-248/14
Der im Grundbuchverfahren erforderliche formgerechte Nachweis der gesetzlichen Vertretungsmacht für eine GmbH & Co. KG kann durch Bezugnahme auf die Eintragungen im Handelsregister nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen erbracht werden, die vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister in deren Namen abgegeben worden sind (entgegen OLG Hamm, FGPrax 2011, 61). Nachweiserleichterungen wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Kommanditgesellschaft durch Aufnahme ihrer Geschäfte wirksam geworden ist.
 
Auslegung v. elektr. übermittelten Dokumenten
OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.11.2014, 12 W 2217/14
1. Elektronisch übermittelte Dokumente, insbesondere Handelsregisteranmeldungen, sind in gleicher Weise wie schriftliche Erklärungen auszulegen. Maßgeblich ist insoweit, wie ein menschlicher Adressat die Erklärung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte verstehen darf.
2. Zur Berücksichtigung von Widersprüchen zwischen einer als elektronisches Dokument übermittelten Handelsregisteranmeldung und einer damit verknüpften XML-Datei mit Strukturdaten im Rahmen der Auslegung.
3. Angaben in XML-Datensätzen müssen nicht mit der gemäß § 2 Abs. 3 ERVV notwendigen qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG versehen sein und stellen kein rechtsverbindliches elektronisches Dokument im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB in Verbindung mit § 2 ERVV dar.
 

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