Heft 11/2015 (November 2015)

Vorschau
Jörg Felix: Die Vergütung des Berufsbetreuers (Teil II)
Peter Enders: Verfassungswidrige Zwangsvollstreckung durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung?
Georg Hein: Die Erschließungskostenvorauszahlung in der Wertfestsetzung
 
Vorläufige Unterbringung, Zwangsbehandlung
BVerfG, Beschluss vom 14.7.2015, 2 BvR 1549/14 u. 1550/14 (+)
1. Die medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen (kurz: Zwangsbehandlung) einer Betroffenen greift in deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, das die körperliche Integrität der Grundrechtsträgerin und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht schützt.
2. Auch wenn die Genehmigung der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Wege der einstweiligen Anordnung erteilt wird, müssen für deren Zulässigkeit die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 3 BGB erfüllt sein. Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 4 BGB darf der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden können.
3. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder sich trotz einer solchen Erkenntnis infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden.
4. Eine allein zur Durchführung einer zwangsweisen Heilbehandlung angeordnete Unterbringung ist jedoch lediglich dann verhältnismäßig, wenn die angeordnete Zwangsbehandlung ihrerseits ohne Verletzung der Grundrechte der Betroffenen erfolgt.
 
Genehmigte Unterbringung, betreuungsgerichtliche Genehmigung
BGH, Beschluss vom 28.7.2015, XII ZB 44/15 (+)
1. Auch im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB bedarf es der gesonderten betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1906 Abs. 4 BGB, wenn dem Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. September 2012 ­ XII ZB 543/11 ­ FamRZ 2012, 1866 [= Rpfleger 2013, 26]).
2. Ohne ausdrücklichen Antrag des Betreuers kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme nur genehmigt werden, wenn sich aus dem Verhalten des Betreuers ergibt, dass er die Genehmigung wünscht.
 
Fortsetzung einer aufgelösten GmbH
BGH, Beschluss vom 28.4.2015, II ZB 13/14
Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst, kann sie nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen fortgesetzt werden.
 
Missbrauch des Mahnverfahrens
BGH, Urteil vom 23.6.2015, XI ZR 536/14
Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des „großen“ Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, grundsätzlich einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (Bestätigung von Senatsurteil vom 5. August 2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rn. 11).
 
Nachweis der Erhebung der Widerspruchsklage
BGH, Beschluss vom 11.6.2015, V ZB 160/14
Bei einem Widerspruch gegen den Teilungsplan wird die Monatsfrist gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 ZVG i.V.m. § 878 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur gewahrt, wenn der Widersprechende dem Vollstreckungsgericht innerhalb der Frist die Klageeinreichung (also die Fertigung der Klageschrift und deren Eingang bei Gericht) sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zustellung nachweist; als Nachweis der Klageeinreichung reicht es aus, wenn entweder eine mit einem anwaltlichen Beglaubigungsvermerk und der Eingangsbestätigung des Prozessgerichts versehene Kopie der Klageschrift eingereicht oder das genaue Aktenzeichen des Verfahrens mitgeteilt wird.
 
Vergütung des InsVerw, Pflichtteilsanspruch
BGH, Beschluss vom 11.6.2015, IX ZB 18/13
1. Wird ein Insolvenzverwalter oder Treuhänder vorzeitig aus seinem Amt entlassen, berechnet sich seine Vergütung nach dem Schätzwert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt seines Ausscheidens.
2. Ein Pflichtteilsanspruch, zu dessen Verfolgung der Schuldner den Treuhänder oder Insolvenzverwalter ermächtigt hat, erhöht die Berechnungsgrundlage für dessen Vergütung, auch wenn der Anspruch noch nicht durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist.
 
Bewilligungsberechtigung
OLG München, Beschluss vom 19.6.2015, 34 Wx 24/15
1. Die Bewilligungsberechtigung muss noch in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Eintragung des Rechts stattfindet.
2. Entsteht das dingliche Recht erst mit der konstitutiven Eintragung im Grundbuch, ist das Grundbuch nicht deshalb unrichtig, weil eine beantragte Eintragung nicht vorgenommen wird.
3. Ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift des § 17 GBO hat nicht die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge.
 
Erlöschen des Vergütungsanspruchs
OLG Hamm, Beschluss vom 24.4.2015, I-15 W 455/14
Ein berechtigter Vertrauenstatbestand, der die Anwendung der Ausschlussfrist des § 2 VBVG nach § 242 BGB entgegensteht, wurde nicht bereits dadurch geschaffen, dass einmalig für einen zurückliegenden Zeitraum noch im Jahre 2010 eine Vergütung nach einem pauschalen Prozentsatz vom Aktivvermögen und ohne Be­rück­sichtigung der Ausschlussfrist rechtskräftig festgesetzt worden ist.
 
Vorausvermächtnis, Gebührenprivilegierung
OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.7.2015, 8 W 255/15
Die Gebührenbefreiung nach GNotKG KV 14110 Ziff. 1 Abs. 1 S. 1 und S. 2 begünstigt auch die Eintragung eines Erben des eingetragenen Eigentümers, dessen Erwerb erfolgt ist durch die Ausübung eines erbvertraglich eingeräumten Übernahmerechts, Abschluss eines Übernahmevertrags zwischen sämtlichen Erben einschließlich Auflassung, Eintragungsbewilligung und -antrag.
 

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